24 - Ardistan und Dschinnistan I by May Karl
Autor:May, Karl [May, Karl]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-06-11T22:00:00+00:00
VIERTES KAPITEL
Der Dschirbani
Es war, wie gesagt, beim Morgendämmern, als ich nach Hause kam. Ich brauchte kein Licht. Man konnte deutlich sehen. Von den beiden Dienern war keiner da. Sie hatten, wie ich später erfuhr, gegen Morgen die Geduld verloren und sich entfernt, vorher aber noch gewaltige Holzklötze, die jetzt noch brannten, in das Feuer geworfen. Es herrschte also in dem für mich bestimmten Raum eine ganz angenehme, trockene Temperatur. Ich schaute nach dort hinaus, wo Halef liegen mußte. Ich sah ihn nicht. Ich suchte ihn in den beiden andern Stuben. Auch da befand er sich nicht. Da ging ich hinaus nach dem Pferdestall. Die Tür war nicht mehr verriegelt, sondern nur angelegt. Ich schlug sie auf. Da fiel mein Auge auf zwei voneinander getrennte, aber sehr erfreuliche Gruppen. Links lagen die beiden Pferde eng aneinandergeschmiegt. Sie begrüßten mich, indem sie leise wieherten, so leise, daß Halef nicht aufwachte. Dieser lag nämlich zur rechten Hand auf der weichen Blätterstreu bei den Hunden. Der eine von ihnen diente ihm als Kopfkissen; der andere lag, lang an ihm hingestreckt, von den Armen des Schläfers zärtlich umfangen. Beide waren wach. Sie wedelten, als sie mich sahen, mir ihre Morgengrüße zu, regten sich aber nicht, damit der kleine Hadschi nicht gestört werde. Rundum lagen große, abgenagte und zerbissene Knochen. Halefs Schlaf schien aber doch kein allzu tiefer zu sein. Die durch die offene Tür eindringende frische Luft wurde von ihm empfunden. Er machte eine Wendung und sagte:
„Laß das Lecken!“ Und dann fügte er hinzu: „Es wird von den Gesetzen des Anstandes untersagt!“
Aber grad dieses Lebenszeichen, welches er da gab, bestimmte den Hund, das zu tun, was verboten war. Er begann, ihn zu lecken.
„Keine Vertraulichkeit!“ befahl Halef. „Ich bin der Scheik; du aber bist nur der Hund!“
Da wachte er vom Klang seiner eigenen Stimme auf, blinzelte mit den Augen und erklärte ihm:
„Der Hund darf den Scheik höchstens nur dann in das Gesicht lecken, wenn er von diesem vorher geleckt und also dazu aufgefordert –“
Er hielt trotz seiner Schlaftrunkenheit mitten im Satz inne, weil er die Gefährlichkeit dessen, was er sagte, fühlte. Er machte also die Hinzufügung:
„Da aber ein Scheik seinen Hund niemals lecken wird, so hast du mir neben deiner Liebe auch diejenige Hochachtung zu –“
Er unterbrach sich wieder. Er sprach sich immer munterer. Erst hatte er nur geblinzelt; nun aber öffnete er die Augen ganz. Er sah mich vor sich stehen. Da setzte er sich schnell auf, fiel aber gleich wieder um.
„Du hier, Sihdi, du?“ fragte er. „Wie kommst – kommst – kommst denn du dazu, in – in – in –“
Er versuchte immer wieder, zum Sitzen zu gelangen, fiel aber noch drei- oder viermal um, bis er es endlich fertigbrachte.
„Verzeihung, Effendi!“ bat er da. „Kennst du mich?“
„Eigentlich nicht!“ antwortete ich.
„Kein Wunder!“ nickte er, indem er sich mit den Händen nach dem Kopf fuhr. „Du hast doch gewiß noch nie einen Menschen mit so vielen Köpfen gesehen! Ich habe fünf oder sechs! Und alle, alle sind sie bis oben voll Simmsemm! Wie schwer das ist!
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