19 - Ein Schritt ins Leere by Agatha Christie

19 - Ein Schritt ins Leere by Agatha Christie

Autor:Agatha Christie [Christie, Agatha]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-04-02T19:33:52+00:00


18

Bei Bobbys Rückkehr in den Gasthof kam der Wirt eilfertig angetrabt. «Eine Dame wartet auf Sie, Mr Hawkins. Wir haben sie in das kleine Wohnzimmer meiner Frau geführt.»

Eine Dame? Frankie hätte Flügel haben müssen, um vor ihm im Wirtshaus einzutreffen, und andere Damen kannte er in Staverley nicht.

Verdutzt öffnete er die Tür des Zimmers, das Mrs Askew als ihr privates Heiligtum betrachtete, und vor Überraschung fehlten ihm zunächst die Worte. In dem altväterlichen Lehnstuhl saß ein zartes, in Schwarz gekleidetes Figürchen: die Frau der Fotografie.

Ihre kleinen Hände zitterten und fuhren nervös auf den Armlehnen hin und her, und große, verstörte Augen blickten den Eintretenden an.

«Sie sind es?», stieß Bobby endlich hervor.

«Ja, ich. Sie sagten… Sie sagten… dass Sie mir helfen würden», erwiderte sie in einem tonlosen, heiseren Wispern. «Vielleicht hätte ich nicht kommen sollen…»

Sofort fiel Bobby ihr ins Wort.

«Natürlich sollten Sie kommen. Es war das einzig Richtige. Und ich werde Ihnen helfen, soweit ein Mensch es vermag. Zittern Sie doch nicht so – hier sind Sie in Sicherheit.»

Ein schwaches Rosa färbte das Gesicht der jungen Frau, und unvermittelt fragte sie:

«Wer sind Sie? Chauffeur sind Sie nicht. Ich meine, Sie mögen wohl ein Chauffeur sein, doch nicht wirklich.»

Bobby Jones verstand den Sinn des konfusen Gestammels.

«Ach heutzutage nimmt man den Beruf, der sich einem gerade bietet», meinte er leichthin. «Früher war ich bei der Marine… Doch das ist nebensächlich. In jedem Fall dürfen Sie mir vertrauen – und mir alles erzählen.»

Das Rosa wurde zu einem dunklen Rot.

«Sie werden mich für verrückt halten.»

«Nein, nein.»

«Doch. Zu Ihnen, einem Wildfremden, ins Wirtshaus gerannt zu kommen…, aber… ich habe solche Angst… solche Todesangst.»

Bobby ergriff ihre zitternden Hände.

«Beruhigen Sie sich doch. Hier geschieht Ihnen nichts. Sie sind in Sicherheit. Sie sind bei… bei einem Freund.»

«Als Sie gestern Nacht in das Mondlicht hinaustraten», sagte sie hastig, «das war wie ein Traum von Befreiung…»

«Weiter, weiter», drängte Bobby, als sie abermals schwieg. «Erzählen Sie.»

«Wenn ich es Ihnen sage, werden Sie glauben, ich sei von dem Wahnsinn und den Wunderlichkeiten meiner Hausgenossen angesteckt worden.»

«Nein», versicherte der junge Mann abermals. «Bitte, bitte, sprechen Sie.»

Sie entzog ihm die Hand, setzte sich kerzengerade hin und stierte auf die Wand. «Ich fürchte, ermordet zu werden», beichtete sie mit sichtlicher Überwindung.

«Ermordet?»

«Nicht wahr, das klingt verrückt? Verfolgungswahn, wie?»

«Wer will Sie ermorden, wer?»

Ein oder zwei Minuten blieb sie stumm, die Hände im Schoß verkrampft.

«Mein Mann», hauchte sie endlich.

«Ihr Mann?» Ein Chaos von Gedanken brauste durch Bobbys Kopf. «Wer sind Sie?», forschte er plötzlich.

Ihre Augen wurden noch größer vor Erstaunen.

«Das wissen Sie nicht?»

«Nein.»

«Ich bin Moira Nicholson.»

«Dann sind Sie nicht als Patientin im Birkenhof?»

«Als Patientin? O nein!» Abermals lief eine Blutwelle über das zarte Gesicht. «Sie finden wohl, ich benehme mich wie eine solche?»

«Sie müssen mich nicht falsch verstehen oder meinen Worten eine Deutung geben, die ihnen nicht zukommt. Also Ihr Gatte ist Dr. Nicholson. Und weshalb vermuten Sie, er wolle Sie ermorden?»

«Ich lese es in seinen Augen, wenn er mich anblickt. Und außerdem haben sich sonderbare Vorfälle ereignet. Unfälle.»

«Unfälle?», wiederholte Bobby scharf.

«Ja. Nein, nein, ich bin nicht hysterisch», versicherte sie.



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