1001001: Netzkind by Jens Eckhardt

1001001: Netzkind by Jens Eckhardt

Autor:Jens Eckhardt [Eckhardt, Jens]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: amazon, Thriller
veröffentlicht: 2017-06-09T22:00:00+00:00


D ie gravierendste Information, welche David und ich im Internet fanden, war, dass mein Vater uns all die Jahre etwas vorgemacht hatte. Uns die reale Welt vorenthalten hatte, uns getäuscht hatte. Das zerstörte das bis dahin feste Fundament unseres Lebens und unser gesamtes Vertrauen in ihn. Wir konnten nicht verstehen, warum er uns nie erzählt hatte, wie die Welt wirklich aussah. Wir wussten nur, dass wir ihn nicht fragen konnten. Er hatte schon immer alle Erkundigungen, die über unser abgeschiedenes Reich hinausgingen, ignoriert und war mit den Jahren sogar noch verschlossener geworden.

Er verweigerte David noch konsequenter als mir jedwede Zuneigung. Vielleicht in der Absicht, den Fehler nicht zu wiederholen, den er mit mir gemacht hatte. Welcher aus mir beinahe einen Autisten gemacht hatte, wie er wohl dachte. Von Anfang an missachtete er David, spielte nicht mit ihm, kümmerte sich nicht um ihn – das überließ er alles mir. Wir bekamen meinen Vater nur noch abends zu Gesicht; wir drei lebten hermetisch nebeneinander her. Mein Vater, meistens draußen, unterwegs im Wald, uns und unser Treiben ignorierend. David und ich fast immer drinnen an unseren Rechnern, unterwegs im Internet.

Dort bastelten wir uns unsere eigene Weltsicht zusammen. Aus den Informationen, die wir fanden, ohne Hilfe oder Unterstützung eines Erwachsenen oder anderen Menschen, der uns wenigstens die gewaltigsten Lügen offenbart hätte. Dadurch folgten wir anfangs blindlings diversen Heilsversprechen und selbsternannten Gurus, die ihre kruden Theorien verbreiteten. Wir gerieten in die Fänge verschiedenster Religionen, waren im einen Monat Christen, im nächsten Hindus und dann wieder Muslime. Wir probierten in wahnwitzigem Tempo alles aus, beschäftigten uns mit Staatsformen, Wertegemeinschaften, politischen Lehren, Extremismus und Pazifismus. Wir suchten verzweifelt nach einem Leitbild, einem Vorbild, nach jemandem, der uns an die Hand nahm und die Welt erklärte – einer Vaterfigur. Und wir fanden so viele davon, dass wir keine fanden, da sie einander alle widersprachen.

Das einzige, was wir erfuhren, war ein schockierendes Bild von der Welt und den Menschen. Wir beobachteten sie wie zwei Kinder, die einen Ameisenhaufen durch eine Lupe betrachteten. Unfähig, die Hintergründe zu verstehen, aber doch sehr gut in der Lage, eigene Schlüsse aus dem offensichtlichen Treiben zu ziehen. Dabei stellte sich uns die Welt als ein Ort dar, der vollkommen divergent war, geradezu chaotisch und desorganisiert.

Es gab unendliche Mengen an Nahrung, trotzdem hungerten Milliarden von Menschen, weil es bei der Verteilung haperte. Es gab Orte unermesslichen Reichtums und Gegenden brutalster Armut, Luxus auf der einen Seite, Ödnis auf der anderen. Es war alles so extrem ungleich verteilt und schlecht organisiert, dass die Menschen sich gegenseitig töteten, um an Nahrung, Wasser, Rohstoffe oder Reichtum zu gelangen. Und vor allem an Macht. Macht schien das Begehrteste auf der Welt zu sein, für Macht waren viele Menschen bereit, alles zu tun. Sie logen und betrogen, stahlen und erpressten, mordeten und folterten. Sie versuchten, sich Macht durch Waffen, durch Geld und durch Religionen zu verschaffen. Meistens aber durch alles gleichzeitig. Es war wirklich aberwitzig. Denn wenn man genauer hinsah, stellte sich die Welt im Kleinen gänzlich anders da.

Durch unsere



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