055 - Labyrinth des Todes by Neal Davenport

055 - Labyrinth des Todes by Neal Davenport

Autor:Neal Davenport
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2013-09-25T22:00:00+00:00


So wie gestern mußte ich lange Zeit warten, bis Lundsdale öffnete. Er sah erschreckend aus. Sein Gesicht war noch bleicher, und seine Augen lagen tief in den Höhlen und waren glanzlos.

»Sie sehen gar nicht gut aus, Lundsdale«, sagte ich und trat ein.

Er gab mir keine Antwort, sondern ging ganz einfach ins Wohnzimmer. Wieder trug er nur einen weißen Morgenmantel.

»Haben Sie einen Arzt gerufen?«

Er setzte sich auf die Couch und zog die Beine an.

»Ja«, sagte er mit heiserer Stimme. »Er kann nichts feststellen. Ich habe fast die gleichen Symptome wie Coco. Mir ist schwindelig, und ich bin entsetzlich müde. Außerdem habe ich Gedächtnislücken. Ich fürchte, ich bin wie Coco vom Tod gezeichnet.«

Ich blickte ihn genauer an. Er sah tatsächlich wie ein Schwerkranker aus.

»Kopf hoch!« sagte ich. »In ein paar Tagen sind Sie wieder auf dem Damm.«

Er schüttelte traurig den Kopf.

»Das glaube ich nicht«, sagte er fast unhörbar. »Irgend jemand ist hinter mir her. Das fing schon in London an. Ich weiß, daß ich sterben muß.«

Er hatte die gleichen Ahnungen, die auch mich verfolgten. Mein ganzes Leben lang hatte ich nicht so oft ans Sterben gedacht, aber seit ich in Hongkong war, dachte ich nur daran. Es hatte für mich bisher auch nie den Gedanken an Aufgabe gegeben, doch jetzt dachte ich des öfteren daran. Meine Gedanken wechselten von Hoffnung zu Verzweiflung, von Wut zu Resignation.

»Ich möchte mit dem Bankier Olivaro sprechen«, sagte ich. »Können Sie mir seine Adresse geben?« Lundsdale nickte. »Peel Street 134. Es ist eine schneeweiße Villa, die Sie nicht verfehlen können.« »Wissen Sie einige Namen der anderen Geschäftsleute, mit denen Sie nach Hongkong gekommen sind?«

»Nein«, sagte er. »Keine Ahnung. Ich kann mich nur an Olivaro erinnern.«

»Denken Sie nach, Lundsdale!« drängte ich. »Es könnte wichtig sein.«

Er verzog das Gesicht, knabberte an den Lippen herum und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, mir fällt keiner ein.«

»Dann beschreiben Sie mir wenigstens einige der Männer!« Er lachte bitter. »Ich sagte Ihnen doch, daß ich Gedächtnislücken habe. Ich kann Ihnen nicht helfen. Ich kann Ihnen nicht mal beschreiben, wie Olivaro aussieht. Wenn ich mich an die Reisegesellschaft erinnern will, dann sehe ich immer nur leere Gesichter vor mir.«

»Sind Sie wenigstens sicher, daß Sie mit einer Chartermaschine nach Hongkong geflogen sind?«

Er hob die schmalen Schultern. »Um ehrlich zu sein, ich weiß überhaupt nichts mehr. Mit jeder Stunde wird es ärger. Ich versuchte mich an die Vorfälle im Internat zu erinnern, doch es geht einfach nicht. Ich weiß nur, daß es fürchterlich dort war, aber was sich im einzelnen ereignet hat – ich kann es nicht sagen.«

Er stand unter dem Einfluß der Dämonen, und es war zu befürchten, daß er wirklich sein Gedächtnis völlig verlor. Ich griff nach dem Telefon und meldete zwei Ferngespräche nach London an. Eines mit dem O.I., das andere mit Chapman. Lundsdale saß völlig lethargisch auf der Couch. Er bewegte sich kaum, und seine Augen waren geschlossen.

Ich mußte zehn Minuten warten, ehe das Telefon läutete. »Die beiden Londoner Nummern, die Sie uns gegeben haben, Sir, existieren nicht«, meldete sich das Mädchen vom Amt.



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