023 - Im Zeichen des Boesen by Ernst Vlcek

023 - Im Zeichen des Boesen by Ernst Vlcek

Autor:Ernst Vlcek [Vlcek, Ernst]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2013-08-21T22:00:00+00:00


»Herr!«

Vukujev schüttelte den Fremden sanft an der Schulter, doch der rührte sich nicht. Er schlief tief und fest.

Vukujev ließ von ihm ab. Wenn er ihn geweckt hätte, würde er ihn vielleicht zornig machen, und er wollte nicht die Zuneigung dieses Mannes verlieren. Er meinte es gut mit ihm, das spürte Vukujev, und er meinte es gut mit Anja. Alles andere zählte nicht. Der Fremde würde auch mit der Gräfin reden und sie besänftigen, davon war Vukujev überzeugt. Oder doch nicht?

Er stand vor einem Problem. Sein kranker Geist konnte es nicht lösen. Er benötigte jemanden, der ihm immer wieder sagte, was er zu tun hatte, er selbst wußte es nicht. Man mußte immer wieder auf ihn einreden. Unterließ man das, dann konnte es sein, daß er schon im nächsten Moment einem anderen Einfluß folgte.

Vielleicht war es doch nicht richtig, bei Anja zu bleiben, überlegte Vukujev. Durfte er überhaupt der Gräfin einen Wunsch abschlagen? Durfte er etwas tun, das ihrem ausdrücklichen Befehl zuwiderlief? Aber Anja war so schön!

Vukujev schlug ihr Nachthemd zurück und betrachtete ergriffen den nackten Körper. In seinem Blick war nichts Lüsternes. Er hätte Anja besitzen können, wenn er gewollt hätte, doch das hätte der Gräfin sicherlich nicht gefallen. Sie hatte mit Anja etwas anderes vor; dagegen gab es keine Auflehnung.

»Herr!«

Der Fremde zuckte leicht zusammen, als Vukujev ihn erneut an der Schulter rüttelte, aber er wurde nicht wach. Warum schlug er nicht die Augen auf? Warum öffnete er nicht den Mund und sagte ihm, was richtig war? Er hatte eine so einfache und dennoch überzeugende Art, zu sprechen.

Jemand rüttelte an der Tür. Vukujev wandte sich um und sah, wie sie aufgerissen wurde. Ein Luftzug fuhr ins Zimmer, dann fiel die Tür wieder ins Schloß.

Der Wind hatte ein Stück Papier ins Zimmer geweht. Er bückte sich danach und ging damit zum Fenster, um im Vollmondlicht nachzusehen, ob etwas daraufstand.

Er hatte sich nicht geirrt. Die eine Seite des Papiers war bekritzelt. Es war eine einfache Zeichnung, wie die Gräfin sie immer anfertigte, um ihm ihre Wünsche mitzuteilen. Die Zeichnung stellte das Eingangsportal des Schlosses dar, in dem ein Strichmännchen stand, das statt eines Kopfes ein seltsames Schriftzeichen besaß. Damit war er gemeint. Pfeile – so viele Pfeile wie er Finger an der Hand hatten – zeigten in Richtung des Waldes.

Die Gräfin wünschte, daß er das Schloß verließ und sich in den Wald begab. Das hatte sie schon oft von ihm verlangt, und er hatte noch nie gezögert, einem solchen Befehl nachzukommen. Aber diesmal war es anders.

Vukujev war verzweifelt. Er konnte sich dem Befehl der Gräfin nicht widersetzen, aber er wollte auch nicht den Fremden enttäuschen, der sich so nett um ihn gekümmert hatte.

Angestrengt dachte er darüber nach, wie er es beiden recht machen konnte, und plötzlich hatte er die Lösung gefunden.

Es schadete sicher nichts, wenn er für kurze Zeit das Zimmer verließ. Er wollte nur nachsehen, was außerhalb des Schlosses los war. Wahrscheinlich fürchtete die Gräfin, daß im Wald ein Dieb herumschleichen könnte.

Vukujev verließ das Zimmer, ohne auf das Heulen, Wimmern und Poltern zu achten, das rings um ihn tobte.



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