Wenn ich einmal reich und tot bin by Biller Maxim
Autor:Biller, Maxim
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-30590-6
Herausgeber: eBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2014-12-22T16:00:00+00:00
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Cilly
Während des Mittagsschlafs hatte sich auf Cilly Silburgs alabasternem Hintern ein Furunkel gebildet. Sie lag auf dem Bauch, befühlte mit der linken Hand die schmerzende Stelle und weinte vor Wut. In den letzten zwölf Monaten war sie von mehr Krankheiten heimgesucht worden als ihr Täte in seinem ganzen Leben Häuser gebaut hatte, und das waren so viele, daà manche Leute ihn einen jüdischen Ramses nannten. Doch während er weiter an der Frankfurter Skyline herumbastelte, konnte sie nur mit Muskelzerrungen, Knöchelverstauchungen, Magenverstimmungen und immer neuen Virusinfekten aufwarten. Und die Kette der Krankheiten rià nicht ab: Vor zwei Wochen hatte Dr. Ruppin bei einem EKG festgestellt, daà sie sich in Folge einer verschleppten Angina eine Herzmuskelentzündung zugezogen hatte. Seitdem lag sie im Bett, nahm Antibiotika und durfte sich kaum rühren, und obwohl sie keine Schmerzen spürte, wurde sie das Gefühl nicht los, daà die Lage ernst war. Die Eltern hatten für sie das groÃe Schlafzimmer mit Blick auf den Henninger Turm geräumt und waren selbst in das angrenzende Arbeitskabinett des Vaters umgezogen. Mama, die Cilly von morgens bis abends bediente, hatte einen strengen und abwesenden Gesichtsausdruck angenommen. Sie schleppte sich seit Tagen schon barfuà durch die Wohnung, weil sie ihre bunten Berberpantoffeln verlegt hatte (sie wollte sich in Paris neue besorgen), und Cilly kam es so vor, als würde Mama auch noch jeden Augenbick einen der verspiegelten Wandschränke im Schlafzimmer aufreiÃen, einen Hocker herausnehmen und sich erschöpft darauf fallen lassen, um für die Tochter Schiwe zu sitzen.
Vielleicht war es nur ein harmloser Eiterpickel, den sie bloà auszudrücken brauchte? Cilly umfaÃte die harte Stelle mit Daumen und Zeigefinger und preÃte sie mit aller Kraft zusammen. »Oh!« Ein beiÃender Schmerz schien ihren Leib in zwei Hälften zu spalten. Doch ein Furunkel. »Mama, komm sofort hierher! Mama! Hörst du nicht? Schnell!« rief sie, aber da fiel ihr schon ein, daà sie noch bis morgen allein sein würde, weil die Eltern nach Paris gefahren waren. Jossei Forschirms jüngster Sohn Fredi hatte Barmitzwa.
Anatolij â wo war er jetzt? Auch so allein und verlassen wie sie? Bestimmt nicht. Sie sah ihn, umgeben von seinen zehn Sekundanten, wie er gerade die letzte Partie gegen Kasparow analysierte. Er trug seinen grauen Anzug, strich sich ständig die glatten Haare aus der Stirn, und sein Blick war verlegen und entschlossen zugleich. Liebte sie ihn? Sie wuÃte nicht wieso, aber sie fand, daà dieses russische Milchgesicht mehr Sex-Appeal hatte als Paul Newman, Elliot Gould und Michou Forschirm zusammen, Und die waren doch weià Gott nicht zu verachten, vor allem Michou nicht, der bereits alle jüdischen Mädchen von Paris und Frankfurt gehabt hatte. Nur an Cilly bià er sich noch die Zähne aus. »Mamele, was ist los«, sagte ihre Mutter, »macht dir so ein netter jiddischer Junge den Hof, und du schickst ihn zum Teufel ...« Sie hatte natürlich recht. Aber Cilly konnte nicht anders. In ihrer Phantasie tauchte immer wieder Anatolij auf, in der Gestalt eines Schachläufers; er war nackt, und sie starrte so länge auf sein unbeschnittenes Ding, das wie ein Elefantenrüssel aus sah, bis er sich endlich über sie beugte, worauf sie mit pochenden Schläfen aufwachte.
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