Wen der weiße Wolf ruft by Ireen Miller

Wen der weiße Wolf ruft by Ireen Miller

Autor:Ireen Miller [Miller, Ireen]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-95573-302-5
Herausgeber: Klarant Verlag
veröffentlicht: 2015-09-18T16:00:00+00:00


Am nächsten Tag regnete es in Strömen. Sarah hatte in Nachtarbeit ihre Serie fertig geschrieben und war zeitig in der Frühe mit dem Linienbus in die Stadt gefahren. Gerald um sein Auto zu bitten wagte sie nicht.

Diana blieb zuhause. Sie wollte den Tag mit lesen und aus dem Fenster sehen verbringen. Sogar ihr kleiner Ausflug in den Park und an die Klippen war ihr wegen des schlechten Wetters verwehrt.

So ließ sich das junge Mädchen von Anthony, dem Chauffeur, und Joan, der schon etwas ältlichen Hausgehilfin, in die Bibliothek bringen. Zwar fühlte sie sich auch in diesem Raum unbehaglich, doch die vielen Bücher weckten vertraute Gefühle in ihr.

Als Diana nicht mehr lesen wollte, griff sie in die Speichen ihres Rollstuhls und fuhr ans Fenster. Nachdenklich starrte sie nach draußen, während die Regentropfen in kleinen Rinnsalen über das Glas liefen.

Leise hatte sich hinter ihr die Tür geöffnet. Ein Mann schlich herein, blieb einen Moment lang stehen und machte dann ebenso leise die Tür wieder zu. Offensichtlich wusste er nicht, was er sagen sollte. „Du kannst ruhig näher kommen, Gerald“, sagte Diana leise, ohne sich umzudrehen. „Ich habe dich kommen gehört. Eigentlich solltest du wissen, dass mir niemals etwas verborgen bleibt“, fügte sie zweideutig hinzu.

„Mir ebenso wenig.“ Gerald schien ärgerlich zu sein. „Was hattet ihr gestern bei den McLaughlins zu suchen? Habt ihr etwa Kontakt mit den Leuten, wenn ich nicht da bin?“

Diana lachte herzlich auf. „Noch immer die alte Eifersucht? Oh Gerald, wann wirst du endlich aufhören, die Frau, die dich liebt, als dein Eigentum zu betrachten? Man kann einen Menschen nur an sich binden, indem man ihm seine Freiheit lässt.“

„Warum sagst du das, Diana?“ Der Mann furchte die Stirne. „Mir kommen die Worte bekannt vor. Überhaupt ähnelst du in deinem ganzen Wesen, ja sogar ein wenig in deinem Aussehen, einer Frau, die...“

„... die du einmal sehr geliebt hast“, vollendete Diana und drehte ihren Rollstuhl jetzt so herum, dass sie ihrem zukünftigen Schwager ins Gesicht sehen konnte.

„Ich betrachte ihr Bild am Treppenaufgang mindestens jeden Abend, wenn Anthony mich nach oben trägt. Amelie wird mir immer vertrauter. Sie war wunderschön, und Tara... manchmal habe ich das Gefühl, als würde der Wolf mich direkt ansehen.“ Diana war heute ausgesprochen freundlich zu ihm, und Gerald hoffte, dass sie endlich ihren Widerstand aufgeben und ihn akzeptieren würde.

„Der Maler war wirklich begnadet“, stimmte Gerald ihr mit halbem Herzen zu. Eigentlich brannten ihm ganz andere Worte auf der Seele, doch Diana war offenbar nicht gewillt, ihn das aussprechen zu lassen, weshalb er gekommen war.

„Du magst mich nicht.“

„Wer sagt das?“ fuhr der Mann auf. „Im Gegenteil. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, als würdest du mich hassen. Lach nicht, Diana, aber manchmal meine ich, in dir Amelie zu erkennen, die zurückgekommen ist, um mich zu Tode zu quälen.“

„Vielleicht bin ich es ja“, flüsterte Diana zweideutig und legte den Kopf ein wenig zur Seite, sodass ihr langes, schwarzes Haar bis weit über ihre Arme reichte.

„Jetzt auch wieder“, entfuhr es Gerald erschrocken. „So hat Amelie mich immer angesehen, wenn sie mich insgeheim auslachte.



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