Wem gehört Deutschland? by JENS BERGER

Wem gehört Deutschland? by JENS BERGER

Autor:JENS BERGER
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: Westend
veröffentlicht: 2014-07-18T22:00:00+00:00


Versuch, Risiken messbar zu machen

BlackRocks Risikomanager hört auf den Namen »Aladdin« und ist ein Cluster aus 6 000 Hochleistungsrechnern, die in einem idyllischen Nest im Bundesstaat Washington stehen. Glaubt man der PR-Abteilung von BlackRock ist Aladdin ein wahres Wunderwerk: Aladdin weiß, welche Auswirkungen ein Erdbeben in Iran auf die Wahrscheinlichkeit hat, dass ein kanadischer Häuslebauer seinen Immobilienkredit pünktlich bedient. Aladdin erkennt Finanzblasen und weiß, wann eine Bank Liquiditätsprobleme bekommt, welche Banken dadurch mit in den Abgrund gerissen werden, was dies mit dem Wechselkurs zwischen türkischer Lira und indischer Rupie zu tun hat und wie sich die Zinsen auf dem europäischen Geldmarkt entwickeln. Oder um es kurz zu machen: Aladdin ist die ultimative Risikobewertungsmaschine. Wer braucht so etwas, werden Sie sich fragen? Die Liste derer, die Aladdin um Rat fragen, ist lang.

Jeder Pensionsfonds sollte beispielsweise ein gesteigertes Interesse daran haben, zusammenhängende Risiken zu erkennen und bei seiner Anlagestrategie zu berücksichtigen. Es gibt dabei zusammenhängende Risiken, die selbst von Amateurspekulanten erkannt werden: Wer beispielsweise auf einen sinkenden Ölpreis wettet und gleichzeitig Aktien von Fluglinien in seinem Portfolio hat, wäre von einer Krise in Nahost doppelt betroffen, da daraufhin steigende Ölpreise auch die Aktien für Fluglinien unter Druck setzen würden. Was für einen Amateurspekulanten wahrscheinlich nicht sonderlich relevant ist, ist für die Risikomanager eines Pensionsfonds von größtem Interesse, schließlich ist es ihr Job, das finanzielle Polster der Versicherten gegen alle Arten von Risiken abzusichern. In einer Finanzwelt, in der alles mit allem zusammenhängt und ein Abschwächen der US-Konjunktur über den Umweg der Subprime-Kredite den griechischen Staat in den Bankrott treiben kann, reicht profanes Alltagswissen für das Risikomanagement nicht aus, und so kommt Aladdin ins Spiel.

Lange Zeit spielte BlackRock mit seinem Aladdin-System eine Außenseiterrolle. Vor der Finanzkrise interessierten sich die großen Investoren zwar schon für ein ausgefeiltes Risikomanagement, nahmen die systemimmanenten Risiken jedoch nicht besonders ernst. Die Finanzkrise belehrte sie eines Besseren, und das hat vor allem mit Larry Finks erster großer Pleite zu tun. Wie wohl kaum ein anderer kannte der Mann, der vor wenigen Jahren durch hypothekengesicherte Wertpapiere zunächst 100 Millionen Dollar und dann seinen Job verloren hatte, die Systemrisiken, die von diesen Papieren ausgingen. BlackRock und Aladdin waren somit einer der wenigen Akteure in der Finanzwelt, die nicht nur das Risiko solcher Papiere kannten, sondern auch eine ungefähre Ahnung hatten, welcher Dominostein während der Finanzkrise als nächstes kippen würde.

Wie viel PR und wie viel Wahrheit in der korrekten Risikoanalyse von Aladdin während der Schockwellen der Finanzkrise steckt, ist schwer zu sagen. Die amerikanische Regierung vertraute jedenfalls auf das Risikomanagement von Aladdin und beauftragte BlackRock mit der Verwaltung der toxischen Papiere (vulgo Schrottpapiere), die der Staat und die Notenbank FED bei der billionenschweren Abwicklung der Wall-Street-Koryphäen Bear Stearns und American International Group (AIG) übernommen hatten. Dieser 130-Milliarden-Dollar-Auftrag war erst der Beginn: Als sei BlackRock eine Außenstelle des US-Finanzministeriums durfte das Unternehmen auch die Bilanzposten der verstaatlichten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac bewerten und für die US-Notenbank den Rückkauf von hypothekengesicherten Wertpapieren in Höhe von 1 250 Milliarden Dollar managen. Es folgten Aufträge des britischen und des griechischen Staates.



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