Welche Grenzen brauchen wir?: Zwischen Empathie und Angst - Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl (German Edition) by Knaus Gerald

Welche Grenzen brauchen wir?: Zwischen Empathie und Angst - Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl (German Edition) by Knaus Gerald

Autor:Knaus, Gerald [Knaus, Gerald]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2020-10-11T16:00:00+00:00


2015

76 165

2016

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2017

99 330

2018

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2019

151 070

Während in Frankreich schnell klar wurde, wie begrenzt die Wirkung von Grenzkontrollen war, und viele Polizisten leise wieder abgezogen wurden, entbrannte in Deutschland nach 2015 die Diskussion darüber, ob Deutschland Asylsuchende an seiner Grenze hätte abweisen sollen, immer wieder aufs Neue. In seinem Buch Die Getriebenen von 2017 beschreibt Robin Alexander eine Debatte im deutschen Innenministerium vom 13. September 2015. An jenem Sonntag sei alles für die Zurückweisung Asylsuchender an der deutsch-österreichischen Grenze vorbereitet gewesen, doch nach längerer Diskussion seien fünf Worte in einem bereits vorbereiteten Einsatzbefehl gestrichen worden, die Zurückweisungen an der Grenze »auch im Falle eines Asylgesuches« erlaubt hätten. In diesem Moment, so Alexander, habe sich schlichtweg niemand gefunden, »der die Verantwortung für die Schließung übernehmen will«. [329]

Im Juni 2018 erlebte Berlin eine politische Krise, bei der es erneut um den Sinn von Zurückweisungen an der deutsch-österreichischen Grenze ging. Der Streit zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer entfachte sich an einem Satz in einem neuen Masterplan Migration des Innenministeriums: »Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem anderen EU-Mitgliedsland bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind.« Das klang für viele auf den ersten Blick einleuchtend. Die Kanzlerin bestand dennoch darauf, erst zu klären, wie dies tatsächlich umgesetzt werden könne. Nach zwei Wochen politischen Sommerdramas einigten sich Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer schließlich am 2. Juli 2018 auf drei Punkte: Man wolle an der deutsch-österreichischen Grenze ein Grenzregime, »das sicherstellt, dass wir Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise hindern «. Man werde dazu zweitens Transitzentren einrichten, damit »Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen.« Der dritte Punkt war der wichtigste: »In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt.« [330] In anderen Worten: Die deutsche Regierung wollte 2018 mit Österreich das machen, was Frankreich seit 2015 mit Italien versuchte und was Paul Collier und andere Kritiker schon 2015 als mögliche Lösung empfohlen hatten.

Doch was passierte nun? Solange sich in Berlin die Kanzlerin und ihr Innenminister uneinig waren, unterstützten Österreichs Regierung, Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Innenminister Herbert Kickl von der rechtspopulistischen FPÖ, die Idee von Zurückweisungen an der deutschen Grenze. Am 22. Juni erklärte Sebastian Kurz in einem Bild -Interview: »Ein kurzfristiges Intensivieren der Kontrollen an den EU-Grenzen kann einen Domino-Effekt auslösen, der illegale Migration abschreckt.« [331] Doch tatsächlich war das ein Bluff, denn die österreichische Regierung war nie bereit, jeden Asylantragsteller, unabhängig von Dublin-Regeln, aus Deutschland aufzunehmen. Am 27. Juni erklärte Kanzler Kurz, die Dublin-Regeln seien klar: Migranten müssten zurück in das Land, in dem sie mit Fingerabdruck registriert worden seien, »im Regelfall Griechenland und Italien«. [332] Am 3. Juli erklärte er kategorisch: »Einen Vertrag zulasten Österreichs wird es nicht geben.« [333] Und nach einem Besuch des deutschen Innenministers Seehofer am 5. Juli in Wien war



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