WeihnachtsWAHNSINN (German Edition) by Michaela Weyer

WeihnachtsWAHNSINN (German Edition) by Michaela Weyer

Autor:Michaela Weyer [Weyer, Michaela]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: UNKNOWN
veröffentlicht: 2016-09-08T22:00:00+00:00


Ich glaube, man kann sich an alles gewöhnen, auch an Erniedrigungen. Ich bin mir sicher, es gibt einen Punkt, an dem man für jede Peinlichkeit unempfänglich wird, an dem einem keine noch so bloßstellende Situation mehr etwas anhaben kann, an dem man nichts als köstliche Gleichgültigkeit empfindet. Leider bin ich von diesem Punkt noch ziemlich weit entfernt, als wir in den Flur kommen und ich dem »Weihnachtsmann« begegne.

»So, hier ist nun also unser Engelchen – meine mittlere Tochter!« Mutti grinst wie eine Schwachsinnige, und ich warte nur noch darauf, dass sie ganz unauffällig darauf hinweist, dass ich ledig, kinderlos, völlig ungebunden und auf der Suche bin. Aber das hat sie wahrscheinlich schon vorhin am See getan.

»Soso«, brummt der Weihnachtsmann.

Ich befinde mich in einer recht ungünstigen Lage: Nun, da man mich auch noch meiner Stiefel beraubt hat, mit denen ich immerhin knappe zehn Zentimeter größer bin, bleiben mir nichts als meine geschummelten 1,60 m. Da der Typ von nebenan aber mindestens dreißig Zentimeter größer ist, befindet sich mein Kopf etwa in Höhe seiner Brustwarzen. Zusammen mit dem Kostüm gibt mir das irgendwie doch ein gewisses Gefühl der Unterlegenheit. Und so etwas mag ich ja nun ganz und gar nicht – ich werde kratzbürstig!

»Soso«, äffe ich ihn nach und lege wütend den Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Das hätte ich mir allerdings sparen können, denn außer einem langen weißen Rauschebart und einer tief in die Stirn gezogenen Mütze mit weißen Haarlocken ist nicht viel zu erkennen. »Und wer sind Sie?«, frage ich unwirsch, angesichts der Frechheit dieses Kerls, sich nicht einmal vorzustellen. Von wegen nett und sympathisch! Mutti hat vielleicht einen komischen Geschmack!

»Nanu, ich dachte, das sieht man? Ich bin Santa Claus, meine Mitarbeiter dürfen aber gerne Claus zu mir sagen«, lacht er mit verstellter Stimme.

Ich verdrehe die Augen. Was für eine Blödbacke! Der geht wohl voll in seiner Rolle auf! »Um mal eins klarzustellen, ich bin ganz sicher nicht ihre Mitarbeiterin! Ich bin ein Engel und nicht ihr dämlicher kleiner Handlanger«, sage ich mit so viel Würde, wie ich unter diesen Umständen noch aufbringen kann.

»Oh ja, das sieht man aber auch! Dass Sie ein Engel sind, meine ich. Obwohl ich Sie von Weitem eben fast mit einer Taschenlampe verwechselt hätte: Handliche Größe, silberner Schaft und nach oben raus grellgelb leuchtend. Aber jetzt, wo Sie vor mir stehen: eindeutig ein Engel!«

Also, das ist doch wohl, das ist doch wohl ... Ich glaube, zum ersten Mal in meinem Leben fehlen mir tatsächlich die Worte. Eine solche Unverschämtheit, eine derartige Dreistigkeit habe ich ja noch nie erlebt! In meinen ganzen fünfunddreißig Jahren ist mir so einer wie der noch nicht untergekommen!

Ich will gerade meinen Mund öffnen und eine Schimpftirade über diesen Möchtegern-Weihnachtsmann niedergehen lassen, da stößt Mutti mir ihren Ellenbogen in den Rücken, zischt »Sei still« und drängt den komischen großen Mann und mich gemeinsam ins Wohnzimmer, während sie voller Begeisterung ruft: »Jetzt seht doch mal, wer gerade gekommen ist! Der Weihnachtsmann und ein Engelchen wollen zu Konstantin,



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