Vier gewinnt by Ann Brashares

Vier gewinnt by Ann Brashares

Autor:Ann Brashares [Brashares, Ann]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-28T23:00:00+00:00


Wenn aber ein Blinder den anderen führt,

so fallen sie beide in die Grube.

Matthäus 15,14

O weh! Ihr würdet

So mager dann, dass durch und durch Euch bliesen

Die Stürme des Januar. - Nun, schönster Freund,

Wünscht’ ich mir Frühlingsblumen, die sich ziemen

Für Eure Tageszeit, und Eur’ und Eure...«

Carmen sah hoch und hielt den Atem an.

Obwohl der Polixenes von einem Schauspieler gespielt wurde, den sie schon in mindestens vier Filmen gesehen hatte, sah er trotzdem ihrem Onkel Hai zum Verwechseln ähnlich. Als sie ihm gegenüberstand, stellte sie sich einfach vor, er wäre Onkel Hai, sonst wäre sie viel zu aufgeregt gewesen. Er nickte ihr zu, sie solle weitermachen.

»Die Ihr noch tragt auf jungfräulichem Zweig

Die Mädchenknospe. O Proserpina!

Hätt’ ich die Blumen jetzt, die du erschreckt

Verlorst von Plutos Wagen!«

Jetzt wandte sie sich an Florizel, ihren angeblichen Verehrer. Er war mindestens zehn Jahre älter als sie, hatte eine dicke Make-up-Schicht im Gesicht und war offensichtlich mehr an Polixenes interessiert.

Sie war erleichtert, als sie endlich eine Pause machten. Sie probten jetzt täglich fast zehn Stunden und zwischendrin waren noch Kostümanproben.

Sie sah Leontes am Rand der Bühne stehen, von wo aus er zugeschaut hatte, und wollte nervös einen weiten Bogen um ihn machen. Er war so großartig, dass sie noch nicht den Mut gefunden hatte, zu ihm auch nur ein Wort zu sagen, das nicht aus Perditas Mund kam.

Der Bogen hatte nichts geholfen. Er sah sie direkt an.

»Carmen, das war absolut hinreißend«, sagte er zu ihr, als sie wie eine frisch geschlüpfte Schildkröte auf ihrem Weg ins rettende Meer an ihm vorbeihuschen wollte.

»Danke«, quietschte sie und schwitzte aus allen Poren.

Aber draußen konnte sie ihre Freude nicht länger unterdrücken. Hinreißend, hatte er gesagt. Absolut hinreißend.

Absolut hinreißend. Genau so hatte er’s gesagt. Sie lachte. Ihr T-Shirt war unter den Armen allerdings auf eine ganz und gar nicht hinreißende Art durchgeschwitzt.

Es war wirklich verblüffend. Noch nie in ihrem Leben hatte sie gedacht, sie hätte für irgendetwas ein besonderes Talent. Bisher hatte sie immer den Eindruck gehabt, als hätte sie alles in ihrem Leben erarbeitet, erzwungen, erbettelt oder gestohlen.

Sie war gut in Mathe, weil sie doppelt so lange gelernt hatte wie alle anderen. In Sprachen hatte sie gute Noten, weil sie zwei Jahre lang Vokabellisten gepaukt und alle Übungstests geschrieben hatte, die angeboten wurden. Sie hatte eine Eins in Physik bekommen, weil sie neben dem Streber Brian Jervis saß, der seine Klausurbögen nie zugedeckt hatte.

Und hier war sie nun und hatte es mit ganz wenig Anstrengung geschafft, absolut hinreißend zu sein.

Wie beglückend das war! Wie hinreißend!

Prinz Mamilius kam durch die Seitentür. Als er sie sah, setzte er sich neben sie. Sie konnte sich seinen richtigen Namen nicht merken. Er war zwar im Stück ihr Bruder, doch sie standen nie gemeinsam auf der Bühne, weil er schon vor ihrer Geburt gestorben war.

»Wie läuft s denn so?«, erkundigte er sich.

Als Prinz sprach er astreines Shakespeare-Englisch, doch als Normalo - hatte sie zu ihrem Vergnügen entdeckt - sprach er New-Jersey-Dialekt.

»Gut«, antwortete sie. Er hatte ein Dachs-Tattoo auf seinem Fußknöchel und war eigentlich ziemlich süß.

»Hübsche Blumen«, sagte er.

Carmen fasste an ihr Ohr.



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