Unerschrockene Frauen by Dieter Wunderlich

Autor:Dieter Wunderlich [Wunderlich, Dieter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492961141
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2014-12-29T05:00:00+00:00

Margaret Thatcher

(1925 – 2013)

»Eiserne Lady«

Mit Meinungsfestigkeit, Zielstrebigkeit und Durchsetzungsfähigkeit schaffte es die Tochter eines Lebensmittelhändlers an die Spitze der britischen Regierung. Entschlossen verteidigte sie die Interessen ihres Landes, selbst wenn sie dazu Krieg führen musste. Aber die Stärken der »Eisernen Lady« verwandelten sich im Lauf der Zeit in Schwächen, denn durch ihre Unnachgiebigkeit, Intoleranz und Selbstgerechtigkeit war sie nicht in der Lage, sich auf Kompromisse einzulassen und anderen zu vertrauen.

Alfred Roberts war das fünfte von sieben Kindern eines Schuhmachers. Er wäre gern Lehrer geworden, aber im Alter von zwölf Jahren musste er 1904 den Schulbesuch beenden, um als Ladenhelfer zum Unterhalt der Familie beizutragen. Nach dem Abbruch der Schule ging er bei einem Gemüsehändler in Grantham, 35 Kilometer östlich von Nottingham, in die Lehre. Die versäumte Schulbildung versuchte Alfred Roberts zeitlebens durch viel Lesen autodidaktisch nachzuholen.

Knapp sechs Wochen nach seinem 25. Geburtstag heiratete er 1917 die Näherin Beatrice Stephenson, Tochter einer Fabrikarbeiterin und eines Toilettenmanns bei der Bahn. Das Paar wohnte zunächst bei Beatrices verwitweter Mutter in Grantham. Nach dem Ersten Weltkrieg erwarb Alfred Roberts dort einen Lebensmittelladen mit Poststation und zog mit seiner Frau und seiner Schwiegermutter in die Wohnung darüber. Beatrice Roberts gebar zwei Töchter: Muriel und deren vier Jahre jüngere Schwester Margaret, die am 13. Oktober 1925 auf die Welt kam.

Margaret Roberts gewann im Alter von neun Jahren auf einem Musikfest in Grantham einen Rezitierwettbewerb. Als der Veranstalter ihr zu ihrem Glück gratulierte, entgegnete sie pikiert: »Ich hatte nicht Glück. Es steht mir zu.«346

Mit zwölf Jahren kam Margaret dann erstmals nach London. Sie fuhr die 150 Kilometer lange Strecke im Zug ohne Begleitung und hielt sich eine Woche lang bei Familienfreunden auf. Der Besuch in der Großstadt war für das Kind ein aufregendes Ereignis.

Die Eltern hatten vier Jahre nach dem ersten Laden einen zweiten eröffnet und sich inzwischen einen bescheidenen Wohlstand erarbeitet. Sogar ein Dienstmädchen konnten sie sich leisten. Alfred Roberts übte in Grantham eine Reihe ehrenamtlicher Tätigkeiten aus; zum Beispiel war er Mitglied der Handelskammer und Präsident des Rotary Club. Im Zweiten Weltkrieg übernahm er die Verantwortung für den Zivilschutz, dann ließ er sich in den Stadtrat wählen und leitete den Finanzausschuss. 1945/46 amtierte er als Bürgermeister. Eines seiner Hauptanliegen war es, die Steuersätze niedrig zu halten. »Als frommer Methodist unterschied er nicht zwischen kommerziellen, politischen und religiösen Werten. Er war gleichzeitig Ladenbesitzer, Lokalpolitiker und Laienprediger, führte sein Geschäft nach ethischen Grundsätzen und propagierte Geschäftsprinzipien in der Politik.«347 Seiner Tochter Margaret soll er schon früh geraten haben: »Gehe niemals mit der Menge.«348

Aufgrund ihrer hervorragenden schulischen Leistungen wurden Margaret Roberts bereits vor dem Abschluss Studienplätze angeboten, aber sie wollte nicht nur irgendwo Chemie studieren, sondern unbedingt an der Eliteuniversität Oxford. Ende 1942 unterzog sie sich deshalb der Aufnahmeprüfung und erhielt eine Zusage des Somerville College* [Das nach der Mathematikerin Mary Somerville benannte, zur University of Oxford gehörende College wurde 1879 als eine der ersten Hochschulen für Frauen gegründet. Erst seit 1994 sind auch männliche Studenten zugelassen.] für Oktober 1944. Weil aber eine andere Kandidatin ausfiel, brauchte sie

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