Und weil die Stunde kommt by Tino Hemmann

Und weil die Stunde kommt by Tino Hemmann

Autor:Tino Hemmann [Tino Hemmann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Engelsdorfer
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


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1Koran, Sure 9, Zeile 38

2 Bundesnachrichtendienst Deutscher Geheimdienst

Elias’ Rückkehr

„Ich habe keine Geburtsurkunde bei mir! Weder von ihm noch von mir.“

Der Mann rückt den Knoten seiner Krawatte zurecht. „Für den Kinderausweis benötigen wir drei neue Passbilder, den bisherigen Kinderausweis oder Ihren Pass im Original mit einer beglaubigten Kopie des bisherigen Kinderausweises, eine beglaubigte Kopie der deutschen Heiratsurkunde der Kindeseltern. Sofern Sie nur über eine pakistanische Heiratsurkunde verfügen, benötigen wir diese im Urdu-Original, zusammen mit einer beglaubigten deutschen oder englischen Übersetzung, eine beglaubigte Kopie der deutschen Geburtsurkunde Ihres Kindes. Haben Sie nur eine pakistanische Geburtsurkunde, brauchen wir diese im Urdu-Original, zusammen mit einer beglaubigten deutschen oder englischen Übersetzung, eine beglaubigte Kopie des Scheidungsurteils mit dem Sorgerechtsbeschluss, sofern Ihre Ehe inzwischen geschieden wurde, die Original-Reisepässe beider Elternteile oder des alleinsorgeberechtigten Elternteils sowie eine beglaubigte Kopie, die Anmeldebescheinigung des Kindes aus Deutschland und die fälligen Passgebühren in Höhe von sechzigtausend Rupien ...“

Paul lässt sich auf einen Stuhl gleiten. Haydar steht am Fenster und beobachtet die Straße.

„Verstehen Sie mich nicht? Lassen Sie mich mit Ihrer verdammten deutschen Bürokratie in Ruhe! – Seine Mutter wurde vor zehn Jahren erschossen. Hingerichtet! Der Junge und ich, wir hätten ihr Schicksal fast geteilt. Wir haben uns in die deutsche Botschaft gerettet. Wir haben nichts! Verstehen Sie? – Nichts! Nichts!“ Paul will nicht schreien. Doch er tut es.

Der deutsche Beamte rückt den Krawattenknoten erneut zurecht.

„Keine beglaubigten Kopien? Keine Urkunden? – Tatsächlich, ähm ... nichts?“

„Wir haben eine einwöchige Odyssee hinter uns. Wir haben Hunger und Durst. Es wäre nett, wenn Sie mir und meinem Freund etwas geben könnten. Und dann möchte ich ein Telefon, mit dem ich in Deutschland anrufen kann. Dort wird jemand sein, der Ihnen sagt, weshalb wir keine beglaubigten Urkunden brauchen, um von Ihnen einen lausigen Pass zu erhalten! Wir müssen nach Indien kommen. In Islamabad sind wir in Lebensgefahr, wir werden verfolgt. Wir werden auch nicht von diesem Flughafen aus fliegen können. – Verstehen Sie mich?“

Wieder muss der Krawattenknoten herhalten. „Sie benötigen wahrscheinlich ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung? Da bin ich der falsche Ansprechpartner. – Heute ist Freitag. – Schade. – Der Bearbeiter ist erst wieder am Montag zwischen 8 und 13 Uhr im Konsulat. Sie können am Montag einen Termin vereinbaren, aber er hat zur Zeit sehr viel ...“

„Halten Sie die Klappe!“ Paul steht wieder. „Sie begreifen es noch immer nicht! Dieser Junge und ich, wir kommen aus einem Krieg. Wir haben unsere nackten Ärsche in dieses prunkvolle Haus gerettet, um für kurze Zeit in Sicherheit zu sein. Wir haben Hunger und Durst. Wenn Sie mir nichts geben, dann geben Sie wenigstens dem Jungen etwas. Und lassen Sie mich telefonieren! Jetzt!“

Am Hals des Beamten bilden sich Schweißperlen. „Wir sind ein Konsulat, kein Imbiss.“

Paul schlägt mit einer Faust auf den Tisch und geht zur Tür. Elias steht sofort neben ihm. „Ich will den Konsul sprechen. Sofort.“

„Der Botschafter ist nicht hier.“

„Es muss doch irgendjemand in diesem riesigen Haus sein, der uns helfen kann!“

„Ich glaube, ein solcher Jemand ist nicht im Haus.“

„Gut.“ Paul geht zurück zum Tisch des Beamten.



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