Traum von Amsterdam by Lucy van Tessel
Autor:Lucy van Tessel [Tessel, Lucy van]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783956090493
Herausgeber: édition el!es
veröffentlicht: 2015-08-12T16:00:00+00:00
Kapitel 10
»Und . . .?«, fragte Naomi gedehnt und küsste Lenka zuerst auf den Hals und anschließend auf die Nasenspitze. Lenka öffnete gierig die Lippen, und die kleine Jelly-Bohne fand den Weg aus Naomis Mund in den ihren.
»Na?«, fragte Naomi und leckte sich die Lippen. »Wonach schmeckt die?«
Lenka seufzte genüsslich. »Nach dir.«
»Menschenskinder!« Naomi schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Das hier ist ein hochwichtiges Experiment. Ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit, bitte.«
Nun, falls das wirklich ein Experiment war, dann eines unter erschwerten Bedingungen. Lenka lag nämlich auf Naomis Bett. Natürlich nackt. Naomi hatte zwei Seidenschals aus einer Schublade gezaubert, mit dem einen Lenkas Augen verbunden und mit dem anderen sanft ihre Hände gefesselt. Lenka hatte das zuerst nicht gewollt, doch Naomi hatte ihr so behutsam »Vertrau mir« ins Ohr geflüstert, dass Lenka sich schließlich doch ergeben hatte und Naomi tun ließ, was immer sie vorhatte.
Nämlich besagtes Experiment. Bei dem es vornehmlich darum ging, den Geschmack von Jelly-Beans einzuordnen.
Während der Arbeit hatte Naomi immer wieder fasziniert die Jelly-Beans-Automaten umkreist. Sie hatte verfolgt, wie die Besucher sich daraus bedienten, hatte sogar einige Leute frei heraus angequatscht und gefragt, welche Sorte die beste wäre – bis Lenka sie dezent darauf hingewiesen hatte, dass es vielmehr Aufgabe des Personals war, den Gästen besagte Bohnen aufzuschwatzen. Und zwar indem man ihre Vorzüge anpries, anstatt die Kundschaft darüber auszufragen, worin diese Vorzüge genau bestünden.
Aber wie sollte sie das denn machen, hatte Naomi mit großen Augen gefragt, wenn sie keine Ahnung hatte, welche Geschmacksvariante besonders lecker war?
»Ist doch egal«, hatte Lenka gemeint. »Die schmecken sowieso alle gleich.«
»Ach, echt?« Naomi hatte Lenka skeptisch angesehen – und dann die Jelly-Beans etwas enttäuscht betrachtet.
Weil sie sich allerdings nicht mit Informationen aus zweiter Hand abfinden wollte, hatte sie sich selbst eine große Tüte der bunten Bohnen für den Abend besorgt und diese ganz dreist ins CAPITOL geschmuggelt – wo sie ihren Plan allerdings völlig vergessen hatte. Irgendwo, auf halbem Wege nach Hause, hatte sie dann zufällig in ihre Tasche gegriffen und die Packung wiedergefunden.
»Ah«, hatte sie gesagt. »Da war ja was.«
Naomi hatte bezüglich der Geschmacksrichtungen eine Theorie entwickelt, basierend auf ihrem eher bruchstückhaften Wissen aus der Ernährungspsychologie: »Ich hab mal von einem Experiment gelesen, da hat man Kindern zwei Sorten Pudding angeboten. Der eine war braun, der andere gelb. Den braunen haben die Kleinen durch die Bank als Schokopudding identifiziert, während sie den anderen für Vanille hielten. In Wirklichkeit schmeckten beide Puddingsorten genau gleich, sie waren nur anders eingefärbt. Und weil die Kleinen nun mal gelernt haben, dass Schokopudding immer braun und Vanille immer gelb zu sein hat, sind sie prompt drauf reingefallen. Mit anderen Worten: Ihre Augen haben ihre Geschmacksnerven verarscht.«
Vielleicht, glaubte Naomi, traf das ja auch auf die Jelly-Beans zu. Vielleicht schmeckten die in der Tat alle gleich, und die verschiedenen Farben gaukelten den Geschmacksnerven lediglich verschiedene Geschmacksempfindungen vor? Nach dem Muster: Gelb = Zitrone; Rot = Erdbeere; Grün = Waldmeister . . .
Naomi hatte vorgehabt, in der Dunkelheit des Kinosaales, wo die unterschiedlichen Farben nicht zu erkennen waren, ein bisschen mit
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