Sunset by Jessie Cave

Sunset by Jessie Cave

Autor:Jessie Cave [Cave, Jessie]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783455015089
Herausgeber: Atlantik


Ein paar Fahrgäste kichern leise, aber ich halte mich nicht zurück. Ich lache die Frau unkontrollierbar aus. Sie zuckt nicht mal mit der Wimper, sie trägt schon Kopfhörer und starrt auf ihr Handy.

Ich steige am Terminal 5 aus und gehe direkt zu Boots. Zwei der Angestellten kenne ich, weil ich schon öfter hier war und Vitaminbonbons für Kinder gekauft habe, die ich wie Süßigkeiten esse. Meistens hole ich hier Paracetamol. Das nehme ich manchmal, wenn ich besonders traurig bin. Natürlich bewirkt es nichts, aber Tabletten zu schlucken hatte für mich immer etwas Tröstliches, vielleicht, weil Mum es so oft gemacht hat. Paracetamol und Nahrungsergänzungsmittel und andere Sachen mehrmals täglich, für alles und nichts. Ihre Handtasche klang wie eine Rassel.

Einer der Angestellten ist ein Mann mit rasiertem Schädel; hinter einem Ohr hat er eine Bombe tätowiert. Es überrascht mich, dass man mit einem solchen Tattoo am Flughafen arbeiten darf. Er ist überfreundlich und redet zu viel. Als er mich fragt, ob ich eine Boots-Karte habe, wirkt er unerträglich ernsthaft. Ich habe Hannahs Karte und sammle für sie Punkte, obwohl ich nicht weiß, wie ich sie einlösen soll und ob das überhaupt geht. Mir gefällt nur die Vorstellung, dass ein paar ihrer Konten noch aktiv sind.

Außer ihm arbeitet heute eine mollige Frau hier – es ist vielleicht nicht unbedingt höflich, jemanden als »mollig« zu beschreiben, aber das Wort ist wie für sie erschaffen. Sie scheint in einem dauerhaften Glückszustand zu schweben. Mit heiterem Gesichtsausdruck macht sie einfach ihr Ding und räumt Regale ein, an der Kasse habe ich sie noch nie gesehen. Sie erinnert mich an die gute Fee in Aschenputtel. Sie lächelt mir milde zu und sortiert dabei etwas neben den Kondomen und Gleitmitteln. Ich frage mich, ob sie je richtig heftig gefickt wurde und es irgendwie scheußlich fand, aber irgendwie auch mochte, ob sie je schmutzige Sachen gesagt hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie irgendwann nackt ist oder jemanden auf der Straße anschreit oder einen Burger isst und ihr dabei der Fleischsaft übers Kinn rinnt. Sie gehört nicht hierher, nach Heathrow, neben die Kondome – sie gehört in eine Disney-Geschichte mit einem Zauberstab und sprechenden Vögeln auf der Schulter.

Unter Krämpfen lächle ich zurück. Die gute Fee dreht sich zu mir um und sieht mich an, und ich frage mich, ob sie das Blut riechen kann. An der Kasse versuche ich nach Kräften, das Gespräch über das anhaltend beschissene Wetter mit dem bombentätowierten Mann nicht ausufern zu lassen. Bei genauerem Hinsehen ist er gar nicht alt. Nur ein alberner Junge. Ich bin kurz davor, ihn anzuschnauzen, dass mir das beschissene Wetter gefällt, dass ich das beschissene Wetter passend finde, also soll er doch bitte – bitte – aufhören, über das verkackte beschissene Wetter zu reden. Aber ich tue es nicht. Ich lächle nur, nehme meine Packung Riesenbinden und gehe. Solche, die eigentlich für Inkontinente gedacht sind oder für Frauen kurz nach der Geburt – die finde ich am bequemsten.

In der Schlange vor der Toilette drücke ich die Oberschenkel zusammen, um das Blut zurückzuhalten.



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