Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten by Maupin Armistead

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten by Maupin Armistead

Autor:Maupin, Armistead [Armistead, Maupin]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-12-24T05:00:00+00:00


Geschmackstest

»Tut mir leid, daß ich so spät dran bin«, sagte Bill Rivera, als er sich im Welcome Home zu Michael an den Tisch setzte. »Aber der Freund vom Bruder von meinem Exfreund ist grade erst abgereist.«

»Moment mal. Der …?«

Der Polizist lächelte. »… Freund vom Bruder von meinem Exfreund. Das war vielleicht ’ne schwere Geburt bei dem Kerl.«

»Was? Daß er nach San Francisco gekommen ist, oder daß er schwul geworden ist?«

»Mehr oder weniger beides … und dieser Dreckskerl hat sich dazu ausgerechnet meine Wohnung ausgesucht. Aus heiterem Himmel hat er bei mir vor der Tür gestanden. Mit vierzehn verschiedenen Fummeln!«

»Etwa … Leder?«

»Leder, Cowboyzeugs, Signaltücher für die Arschtasche, Tittenklemmen, dreiteilige Anzüge … alles.«

Michael lächelte. »Und rate mal, wer ihn überall rumführen sollte.«

Bill schüttelte den Kopf. »Ich hab den Kerl kaum gesehen. Er hat grade lang genug reingeschaut, um zu schlafen, seine Verkleidung zu wechseln oder mein Poppers zu klauen, und dann ist er auch schon wieder abgezischt. Er ist vom Alta Plaza ins Badlands gezogen, von dort ins Caldron und dann wieder zurück, während ich zu Hause geblieben bin und Fernsehen geguckt habe. Als er heute vormittag gegangen ist, hat er auf einmal ein ganz ernstes Gesicht gemacht und gesagt: ›Weißt du, Bill, diese Stadt ist so was von dekadent. Ich könnte hier nie leben.‹ Am liebsten hätt ich das Arschloch mit seinem Harness erwürgt.«

Michael lachte und reichte Bill die Speisekarte. »Die aus L. A. sind die allerschlimmsten.«

»Der Kerl ist aus Milwaukee. Dort denken sogar die Schwuchteln, daß wir’s hier schon zu weit getrieben haben.«

Michael grinste, weil ihm plötzlich etwas einfiel. »Hast du schon von dem Feuer gehört, das es letzte Woche in der Muni-Metro-Station an der Castro gegeben hat?«

Der Polizist schüttelte den Kopf.

»Es war nur was Kleines«, erzählte Michael weiter. »Aber es kam gleich ein ganzer Gerätewagen angerauscht … mit einem halben Dutzend geilen Feuerwehrmännern drauf. Sie blieben gegenüber dem Castro Theatre stehen, konnten aber nicht in die Metro-Station rein, ohne sich vorher durch einen Hoedown zu schlängeln, den die Foggy City Squares dort veranstaltet haben.«

»Übersetz das mal«, sagte Bill.

»Eine schwule Volkstanzgruppe. Sie führten vor der Bank of America einen großen Square-dance auf. Sie klatschten und schrien ›Jippie‹ und sangen ›The Trail of the Lonesome Pino‹. Nur Männer. Einfach toll. Am meisten hab ich aber drüber gestaunt, wie die Feuerwehrmänner dreingeschaut haben: gleichgültig wie nur was. Sie haben allen ganz freundlich zugenickt und sich einfach an die Arbeit gemacht … als würden sie bei jedem Löscheinsatz an einer Square-dance-Gruppe aus lauter Männern vorbeikommen. So was kann’s auf der ganzen Welt nur hier geben. Deswegen leb ich wahrscheinlich auch hier. Und weil ein paar von den Bullen ein bißchen merkwürdig sind.«

Bill grinste. »Mehr als ein bißchen.«

»Grade richtig«, sagte Michael. »Auf Country & Western fährst du nicht so besonders ab, was?« Soviel hatte er Bills Reaktion auf sein Square-dance-Garn schon entnommen.

Der Bulle gab einen nichtssagenden Grunzer von sich.

»Ich frage, weil … na ja, ich hab überlegt, ob du Lust hättest, mit mir zum Rodeo zu fahren.«

Bill schaute von der Speisekarte hoch. »Zum schwulen?«

Michael nickte.



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