Spatz in der Hand by Bayer Thommie

Spatz in der Hand by Bayer Thommie

Autor:Bayer, Thommie [Bayer, Thommie]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492960243
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-05-23T16:00:00+00:00


5. KAPITEL

Die Wärme, deretwegen die Menschen noch immer leichtbekleidet gingen, war nicht mehr sommerlich, sondern rührte von schon seit Tagen anhaltendem Fönwetter her. Nurmehr wenige grüne Blätter hingen an den Kastanienbäumen, die meisten waren gelb, manche ausgedörrt und braun und etliche schon vom abendlichen Wind aus dem Münstertal zu Boden geweht worden. In den Nächten knallten die letzten überreifen Kastanien auf die Dächer geparkter Autos, und nur selten sah man tagsüber Kinder sich nach den braunen Kugeln bücken.

Carlotta hatte Frühstück verlangt, indem sie ihre Pfote auf Carls geschlossene Lider tapste. Zwar hatte er versucht, sich noch schlafend zu stellen, aber als sie am Ende die Krallen zu Hilfe nahm, kapitulierte er. Es war Viertel nach sieben.

Im Hof sah er den Steuerberater seinem Wagen entsteigen, in die Hocke gehen und eine, zwei, drei Kastanien auflesen. Das war ein freundliches Bild. Wenn er nur nicht gleich wieder die Türen so knallt, dachte Carl und beobachtete, wie F. C. Wagner die Kastanien in seine Hosentasche packte. In dem steckte auch noch ein kleiner Junge. Und in mir? dachte Carl. Er zuckte die Schultern und ging wieder zu Bett. Erst gegen zehn Uhr, wenn die Post im Kasten läge, lohnte es sich aufzustehen.

Bibi hatte sich eingelebt. Ihre kleine, hübsch renovierte Dachwohnung war zwar viel zu teuer, aber der Ausblick so idyllisch und die Redaktion so nah, daß ihr das und die Ruhe mitten in der Stadt elfhundertachtzig Mark Kaltmiete wert war. Auch die Arbeit machte mittlerweile Spaß. Die Konzert- und Theatersaison hatte begonnen, und es gab daher fast jeden Abend irgendwo zu tun.

Ein paarmal hatte sie Carl Stowasser getroffen, immer zufällig, und nie hatte er Interesse gezeigt. Sie war ja selbst nicht scharf auf ihn, aber die Kränkung wegen seines damals so schlagartig nachlassenden Jagdeifers hatte sie noch nicht vergessen.

Eigentlich war sie ihm sogar zu Dank verpflichtet, denn seine Artikelidee hatte ihr Lorbeeren eingebracht. Zuerst hatte sie eine Freundin beim Stern angerufen, als die aber nach einigen Tagen abwinkte, sich kurzerhand an den Wiener gewandt. Dort bot man ihr an, die Sache auf der Basis einer freien Mitarbeit durchzuziehen. Ob es an der Sauregurkenzeit oder dem gesteigerten Interesse am Thema Ausländerfeindlichkeit lag, der Artikel schlug richtiggehend ein. Die Story von dem Schwarzen, der in vier von zehn Fällen von den Schaffnern wie ein Krimineller behandelt wurde, stand in der Badischen Zeitung und im Wiener, brachte ihr zwei Einladungen zu Talk-Shows und wurde in Auszügen nachgedruckt.

Beim Wiener hatte man ihr gesagt, sie solle sich melden, wenn sie wieder mal eine Idee habe. Herrn Stowasser, bei dem sie sich bedankte, hatte das alles nicht weiter interessiert. »Schön« hatte er gesagt, »ich freu mich, daß was draus geworden ist.« Das war alles gewesen. Irgendwie krieg ich dich noch dran, hatte sie gedacht, irgendeine Idee kommt mir noch. So einfach läßt man mich nicht links liegen.

Christian Brenner stöberte in einem Plattenladen in Bisbee-Arizona und fand tatsächlich die erste LP von Paul Winter Consort. Gebraucht, für zehn Dollar. Carl würde vor Freude im Viereck springen, wenn er sie auspackte.

Nach



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