Sommer in Villefranche by Birgit Hasselbusch

Sommer in Villefranche by Birgit Hasselbusch

Autor:Birgit Hasselbusch [Hasselbusch, Birgit]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783423430463
Herausgeber: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2017-02-22T16:00:00+00:00


17.

Durch meine Schwester wurde ich zur Touristin. Bis zu ihrem Besuch hatte ich noch keine Zeit gefunden, die Sehenswürdigkeiten von Villefranche-sur-Mer noch einmal wieder zu besichtigen.

Nun aber besuchten wir die Kapelle Saint Pierre, mit den herrlichen Wandmalereien von Jean Cocteau.

Dabei musste ich an mein erstes Abendessen mit Véro denken, als sie mir von Cocteaus Abenteuern im Hotel Welcome erzählt hatte. Die Kapelle hatte lange Zeit nur der Aufbewahrung von Fischernetzen gedient, bis Cocteau mit Pastellfarben Fischer und Zigeunermotive an die Wände malte, eingerahmt von Engeln und Aposteln.

»Die Augen sehen aus wie von Fischen!«, fand Jana, als wir durch die engen Gassen der Altstadt in Richtung Wasser liefen.

Ich hatte mich überwunden und mich mit meiner Schwester vor das Hotel Welcome gestellt. Demonstrativ.

»Echt guter Schuppen!«, meinte sie nur.

»Da drüben ist eine Bronzebüste von Cocteau!« Ich zeigte auf die kleine Statue und erzählte ihr, was Cocteau damals alles in meinem Hotel erlebt hatte.

»Und das hättest du auch gerne erlebt?«, fragte sie.

»Na ja, ohne Opium vielleicht«, meinte ich lachend. »›Wenn ich Villefranche betrachte, sehe ich meine Jugend‹, hat Cocteau gesagt.«[*]

Ich hatte wohl sehr wehmütig geklungen, denn Jana stupste mich in die Seite.

»Du bist noch keine alte Schachtel, hörst du?«

»Du hast gut reden!«

»Komm wir gehen mal rein!«, forderte Jana mich auf. Ich schüttelte heftig den Kopf.

»Lieber nicht! Du kannst es dir natürlich anschauen.«

Jana kehrte nach ein paar Minuten zurück. »War das vor sechzehn Jahren auch schon so nobel?«

»Nee, nicht ganz so.«

Wir schlenderten danach durch die Rue Obscure, die dunkle Straße, und fühlten uns wie im Mittelalter. Später eroberten wir die Citadelle aus dem 16. Jahrhundert, die damals die Stadt vor den Gefahren von See schützen sollte. Damals lagen die hundertzehn Galeeren von Barbarossa vor Villefranche, die alles zerstörten, was ihnen in den Weg kam. Heute befinden sich dort das Rathaus, die Polizei, ein Kulturzentrum und ein Blumengarten.

Endlich hatte ich auch diese kleinen Schmuckstücke gesehen. Schließlich setzen wir uns an der Place Amélie Pollonais auf die Terrasse vom »Le Cosmo« und bestellten Kaffee.

In dem kleinen Laden schräg gegenüber fielen mir silberne Flipflops mit Strasssteinen ins Auge.

»Na, hol sie dir!«, sagte meine Schwester, die gerade dabei war, die Speisekarte zu studieren.

»Woher weißt du …?«

Sie unterbrach mich lachend. »Nicht ernst gemeint die Frage, oder? Weil ich so etwas sehen kann. So wie ich damals wusste, dass du meine Jeansjacke haben wolltest. Hab ich nicht nur gesehen, sondern gespürt. Na ja, du hast sie dir dann ja auch gemopst!«

»Wen?«, fragte ich entrüstet.

»Tu nicht so scheinheilig. Die Jeansjacke natürlich.«

»Das stimmt überha…« Ich unterbrach meinen empörten Ausbruch. Wieso setzte bei mir eigentlich immer sofort der Verteidigungsreflex ein.

»Stimmt. Ich habe sie ein paarmal für Feten aus deinem Schrank geholt.«

»Das hab ich gerochen!«, gab Jana völlig unbeeindruckt zurück.

»Dabei habe ich sie nachts vor meinem Fenster zum Lüften rausgehängt. War voll kompliziert, die an dem kleinen Haken zu befestigen.«

»Das hab ich gesehen!«, meinte Jana und zeigte auf etwas in der Speisekarte. »Hier, das nehm ich. So ’n Crêpe.«

»Du wusstest all die Jahre, dass ich heimlich deine Jacke abgestaubt und megakompliziert ausgelüftet habe und hast nie etwas gesagt?«

Die Topsecret-Aktion war damals ein echter Akt für mich gewesen.



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