Solange du bei uns bist by Picoult Jodi

Solange du bei uns bist by Picoult Jodi

Autor:Picoult, Jodi [Picoult, Jodi]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783785725023
Google: NWoFAgAAQBAJ
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2014-05-15T22:00:00+00:00


Luke

In Gefangenschaft kann ein Wolf elf, zwölf Jahre alt werden, und ich habe sogar schon von Fällen gehört, da wurden sie noch älter. In der Wildnis hingegen kann ein Wolf froh sein, wenn er seinen sechsten Geburtstag erlebt. Die Erfahrung und das Wissen eines Wolfs sind unersetzlich. Das ist auch der Grund, warum das Alphatier die meiste Zeit über in der Nähe des Baus bleibt und andere Rudelmitglieder auf die Jagd oder auf Streife schickt. Und genau deshalb zerfallen viele Rudel, wenn das Alphatier stirbt. Es ist, als hätten sie plötzlich das Gehirn verloren.

Was geschieht also, wenn ein Alphatier stirbt?

Man sollte meinen, dass einer der anderen befördert wird, dass vielleicht der Beta-Wolf, die Nummer zwei, die Stelle seines toten Bosses bekommt. Doch in der Welt der Wölfe ist das anders. In der Wildnis wird rekrutiert. Ein Ruf geht an alle Einzelgänger, der sie wissen lässt, dass im Rudel ein Platz frei geworden ist. Anschließend werden die Kandidaten herausgefordert, um sicherzustellen, dass wirklich das klügste und fähigste Tier zum neuen Anführer gewählt wird.

In Gefangenschaft geht das natürlich nicht. Stattdessen findet sich in diesem Fall oft ein von Natur aus misstrauischer Wolf aus den niederen oder mittleren Rängen in der Rolle des Entscheidungsträgers wieder, und das ist eine Katastrophe.

Von Zeit zu Zeit sieht man in Dokumentarfilmen rangniedere Wölfe, die plötzlich an der Spitze des Rudels stehen, einen Omega, der die Position des Alphas bekleidet. Offen gesagt, kaufe ich das den Filmemachern nicht ab. Für viel wahrscheinlicher halte ich es, dass sie die entsprechenden Wölfe von Anfang an falsch eingeordnet haben. So ist ein Alpha-Wolf für den Mann auf der Straße einfach nur kühn, stark und dominierend. In der Welt der Wölfe bezeichnet man mit diesen Attributen jedoch eher einen Wolf im Beta-Rang. Gleiches gilt für den Omega-Wolf. Die Menschen halten ihn für ein scheues, nervöses Tier, das sich vor allen anderen duckt, sie halten ihn für ängstlich. Dabei ist er zwar besonders vorsichtig, doch nicht aus Angst um sich selbst, wie viele meinen, sondern um den Überblick zu behalten.

Oder anders ausgedrückt: In der Wildnis gibt es keine Märchen, kein Aschenputtel. Der vermeintlich rangniedere Wolf, der plötzlich zum Führer seines Rudels aufsteigt, war schon immer ein Alphatier.



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