So ist es gewesen by Natalia Ginzburg

So ist es gewesen by Natalia Ginzburg

Autor:Natalia Ginzburg [Ginzburg, Natalia]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Klaus Wagenbach
veröffentlicht: 2017-02-26T23:00:00+00:00


Ich wickelte ein rotes Tuch um die Lampe und ging mit dem Kind auf dem Arm auf und ab und sang. Wenn ich das Zimmer verließ, fühlte ich mich erschöpft wie nach einer langen Schlacht. Doch oft erhob sich, eine Minute nachdem ich hinausgegangen war, das schwache, gereizte Weinen in der Stille des Hauses, und ich mußte umkehren und die Kleine weiter schaukeln und weitersingen. Alberto konnte sie nicht leiden, wenn er sie auf den Arm nahm, fing sie sofort an zu schreien. Sie wollte immer zu mir und nie zu ihm. Er sagte, ich hätte sie viel zu sehr verwöhnt und einen Quälgeist aus ihr gemacht. Er war viel fort und unternahm häufig seine Reisen, und wenn er einmal zu Hause war, schloß er sich mit Augusto im Arbeitszimmer ein, und sie redeten. Doch war es mir jetzt nicht sehr wichtig zu wissen, worüber sie sprachen, ob sie über Giovanna sprachen oder über etwas anderes. Mir war wichtig, daß die Kleine aß und daß ihr Teller, auf den ein aus der Schale schlüpfendes Küken gemalt war, leer wurde. Ich erinnerte mich daran, was Alberto gesagt hatte, daß ein Kind für eine Frau und einen Mann das einzig Wichtige ist. Ich dachte, daß es für eine Frau wirklich das einzig Wichtige ist. Für einen Mann nicht. Albertos Leben war gleich geblieben nach der Geburt des Kindes, er machte die gleichen Reisen und machte die gleichen Zeichnungen in seinen Notizblock und schrieb Randnotizen in die Bücher und ging mit seinem leichten, raschen Schritt und der Zigarette zwischen den Lippen auf die Straße. Er war nie schlechter Laune wegen der Kleinen, wenn sie nicht gegessen hatte oder blaß war. Er wußte überhaupt nicht, was die Kleine aß, und hatte vielleicht nicht einmal gesehen, daß sich ihre Augenfarbe veränderte.

Ich dachte, daß ich von der Eifersucht geheilt sei und es mich nicht mehr interessierte zu wissen, ob er sich mit Giovanna traf oder nicht. Ich hatte jetzt das Kind mit ihm, und das genügte. Die Zeit, als ich in der Pension auf ihn wartete und zitterte, wenn ich an ihn dachte, war so fern, daß ich kaum noch glauben konnte, daß sie ein Teil meines Lebens gewesen war. Manchmal rief er mich in das Arbeitszimmer, und wir machten Liebe miteinander, doch ich lauschte immer angespannt, ob sich das schwache, gereizte Weinen im dunkeln erhob, und fragte mich gar nicht, ob ich Lust empfand oder nicht. Und er fragte mich nicht, was ich fühlte, und ich dachte jetzt, daß unsere Ehe ungefähr so war wie viele andere, weder besser noch schlechter als viele andere.

Eines Tages ging ich mit der Kleinen spazieren. Francesca hatte ihr das Kamel geschenkt, und wir führten es zum erstenmal aus. Es war sehr schön und nickte mit dem Kopf, und alle blieben stehen, um es zu betrachten. Sehr langsam kamen wir in der ruhigen, lauen Sonne voran, und ich fühlte mich sehr zufrieden, weil die Kleine den ganzen Milchkaffee getrunken und zwei Löffelbiskuit gegessen hatte. Das Kamel fiel um, und ich bückte mich, um es wieder aufzurichten, und säuberte seinen schönen roten Sattel.



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