Sie und Er by Andrea de Carlo

Sie und Er by Andrea de Carlo

Autor:Andrea de Carlo
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-03-03T23:00:00+00:00


Er fühlt sich gefangen in dieser lächerlichen Kommunikationslosigkeit

Er fühlt sich gefangen in dieser lächerlichen Kommunikationslosigkeit, halb gleichgültig, halb verzweifelt, enttäuscht und verärgert über die beschämende Unsinnigkeit der Beziehungen zwischen Mann und Frau. Die willkürlichen Eindrücke, die unbegründeten Hoffnungen, die Suche nach Bestätigung, die distanzierte Beobachtung, das Sammeln von Anhaltspunkten, die automatischen Reflexe, die verfrühten oder verspäteten Reaktionen, die sich auflösenden Überzeugungen, die überhandnehmende Ratlosigkeit: Das Spiel stößt jedes Mal sehr bald an seine Grenzen. Er bemüht sich um mehr Abstand, ihm scheint, dass er einfach nicht genug Bewegungsfreiheit hat, dass sich seine Hände und Füße in dem Netz des Wie-es-sein-könnte-und-wie-es-ist verfangen haben.

Ab und zu wirft er durch die dunklen Brillengläser, die ihn vor dem blendenden Licht schützen, einen Blick auf die Moletto, registriert ihre Haltung, ihren Stimmungswandel. Sie wirkt unruhig, besorgt, wahrscheinlich verlegen, dass sie hier mit ihm im selben Abteil sitzt, ohne die Spuren der letzten Nacht, die Worte und Gesten abschütteln zu können. Sie hält ihr Handy in der Hand, lässt halb zerstreut die Nachrichten über das Display laufen. Das Handy klingelt andauernd: Sie geht jedes Mal auf den Gang hinaus, um zuzuhören, zu sprechen, Bewegungen zu machen, die ihr Gesprächspartner nicht sieht, sich aber wahrscheinlich denken kann. Als sie sich wieder hinsetzt, meint er, einen Hauch von Müdigkeit in ihrem Ausdruck zu erkennen, während sie die Sonnenbrille abnimmt und das Licht ihre Augen trifft. Es ist dieselbe Frau, die ihn nach dem Unfall aus dem Auto gezogen hat, schüchtern und mutig, fähig, in jedem Gespräch Paroli zu bieten und auch zu erröten, wenn ein Wort ihr zu nahe tritt. Dennoch ist er gar nicht sicher, dass sie wirklich so ist, dass das, was er zu sehen glaubt, nicht bloß eine Projektion dessen ist, was er gern sehen möchte. Es wäre ja nicht das erste Mal: Sein Leben ist voll von unbegründeter Begeisterung und peinlichen Missverständnissen.

An einem bestimmten Punkt dreht sie sich zu ihm hin, entspannt die Lippen in einem kurzen Lächeln; doch es wirkt zweifelnd und bedauernd, als würde eine Strömung sie fortziehen.

Diverse Sätze, die er jetzt sagen könnte, fallen ihm ein - die Auswahl reicht von der geistreichen Bemerkung über das nackte Geständnis bis hin zur tiefsinnigen Betrachtung -, einschließlich ihrer Betonung und der sie begleitenden Gesten, die den Kontakt wiederherstellen könnten. Doch die Sätze überlagern sich ungeschickt, und schon steht sie erneut auf und tritt, das Handy in der Hand und mit einem Ausdruck, der jede mögliche Bresche zu schließen scheint, auf den Gang hinaus. Er ist fassungslos, dass alles, was er im Lauf der Jahre erworben zu haben glaubte, ihm jetzt gar nichts nützt: Alle seine Überzeugungen haben sich in dem Lärm und in der Hitze aufgelöst, im Schweiß, der ihm über Stirn und Achseln und Rücken läuft. Er rückt seine dunkle Brille zurecht, schaut wieder aus dem Fenster und versucht, eine möglichst unbeteiligte, lässige Haltung einzunehmen, um den Mangel an Kontrolle zu kaschieren, der gleich darunter lauert.

Außerdem ist die Reise auch zu kurz: Sie lässt nicht genügend Raum für eine Entwicklung. Im einen



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