Selene. Nachtlichtschimmer by Romy Butinar

Autor:Romy Butinar
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand
veröffentlicht: 2017-02-15T00:00:00+00:00

14

»Hat der Phobetor etwas damit zu tun, was Frau Dörr zugestoßen ist?«, fragte ich, kaum dass die Bürotür geschlossen war.

»Ja«, war die knappe Antwort. Chiara durchmaß den Raum mit großen Schritten und ließ sich müde in den Sessel fallen. Wir anderen standen abwartend vor dem Schreibtisch. »Setzt euch. Es stresst mich, wenn ihr so lauernd vor mir aufragt«, beschwerte sie sich. »Wie ihr wisst, war ich beim Magistrat und hab mich über etwaige Fortschritte bei den Ermittlungen erkundigt. Doch es gibt immer noch keinen Anhaltspunkt, wer die Mahr ist. Selene, ist dir vielleicht noch etwas eingefallen? Selbst der kleinste Hinweis könnte hilfreich sein.«

»Nein, leider nicht. Der Nebel aus dem Umhang hatte augenblicklich ihren Kopf verhüllt. Wie gesagt, ganz kurz schimmerte etwas silbrig, aber ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, dass es ihre Haare waren.«

Die Tatsache, dass ich wirklich nichts zu ihrer Identifizierung beitragen konnte, ärgerte mich extrem.

»Dann muss die Garde mit diesen dürftigen Informationen auskommen. Zumindest hat dieser Angriff dazu geführt, dass bis auf Weiteres alle Träume der Personen in unserem Umfeld abgeschottet werden.«

»Was genau heißt das?«, fragte Christian.

»Der Zugang in die Träume wird blockiert, so dass kein Traumwesen ihn betreten kann«, erläuterte Chiara recht dürftig.

»Warum jetzt erst?«, setzte Christian nach, während ich fragte: »Warum sind unsere Träume nicht immer abgeschottet, wenn das möglich ist?«

»Das ist einfach zu beantworten. Zwischen eurem Geist und unserer Welt findet ein Austausch statt. Ohne die Somnia würde den Menschen die größte Inspirationsquelle fehlen. Es würde sich auf eure Motivation, Ziele, Fantasie, Kunst, im Grunde auf die Lebensqualität auswirken.« Sie schaute Christian an. »Und die Somnia wäre um die meisten Traumgebilde ärmer.«

Der erste Teil war uns verständlich.

»Wie? Ihr Mahre existiert nur wegen uns?«, fragte Carla erstaunt.

»Mahre sind keine Traumgebilde, sondern Traumwesen, die direkt von der Somnia aus Traummaterie erschaffen werden. Gebilde wie Personen und Tiere, die durch die Fantasie der Menschen und den Willen der Somnia aus Traumsubstanz ins Dasein kamen.«

»Zum Beispiel?«, hakte Carla nach.

Chiara atmete tief ein, bevor sie antwortete. »Zum Beispiel mythische Tiere oder Halbwesen.« Bei »Halbwesen« musste ich sofort an Egidio und Sheila denken. Chiara bestätigte meine Vermutung, als sie sagte: »Selene, du konntest selbst sehen, dass in der Somnia mehr Gebilde als Mahre existieren. Mit zwei von ihnen hast du dich angefreundet. Auch wenn Sheila genau genommen ein Formwandler ist, aber die gehören auch dazu. Ebenso wie Wassergeister, Gnome und all die anderen Geschöpfe.«

»Verstehe«, meinte Christian. »Unsere Welten wären um vieles ärmer, wenn wir einander ausschließen würden.«

Chiara nickte und Carla und ich schließlich auch.

»Aber es gibt noch einen Grund, warum die Ermittlungen so langsam vorankommen.« Gespannt merkten wir auf. »Die Sache mit der Randzone«, mit dem Kinn deutete Chiara in meine Richtung, da sie durch mich erst davon erfahren hatte, »ist zu einem ernsthaften Problem angewachsen. Die Bewohner fliehen aus der Umgebung. Es entwickelt sich eine regelrechte Flüchtlingswelle. Und die Ursache des Phänomens ist noch ungeklärt. Auf Morpheus und den Rat der Nachtmahre steigt der Druck zur Aufklärung. Das heißt, die meisten Kräfte werden darauf konzentriert.«

Du meine Güte, war Endymion dort noch im Einsatz? Die Sorge um ihn verdrängte kurzweilig meine Wut auf ihn.

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