Science-fiction. Essays. by Olaf R. Spittel (Hrsg.)

Science-fiction. Essays. by Olaf R. Spittel (Hrsg.)

Autor:Olaf R. Spittel (Hrsg.) [Spittel, Olaf R. (Hrsg.)]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Science Fiction, Essays, Sachbuch, DDR
Herausgeber: Mitteldeutscher Verlag Halle - Leipzig
veröffentlicht: 1987-10-15T00:00:00+00:00


Hartmut Mechtel

Weltuntergang

Kein schönrer Tod ist auf der Welt,

als wer vorm Feind erschlagen

auf grüner Heid im breiten Feld

darf nicht hörn groß Wehklagen.

Im engen Bett nur einr allein

muß an den Todesreihen.

Hier findet er Gesellschaft fein,

falln wie die Kräuter im Maien.

Deutsches Volkslied (um 1620)

Erstaunlicherweise ist das Thema des Weltuntergangs so alt wie die überlieferte Literatur. Im 1. Buch Mose wird von einer Sintflut und wenig später von der regionalen Katastrophe der Zerstörung zweier Städte durch Schwefel und Feuer erzählt. Platon läßt in seinem Timaios-Dialog einen ägyptischen Priester von der periodischen Vernichtung alles Irdischen durch ein großes Feuer oder durch Wasserfluten berichten. Gewaltige Erdbeben und Überschwemmungen, so der Ägypter, führten im Verlauf eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht zum Untergang von Atlantis. Johannes sieht in der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel, den Untergang der üppigen, sündigen Stadt Babylon voraus: »Mit Feuer wird sie verbrannt werden«, begleitet von Tod, Leid und Hunger, »in einer Stunde ist verwüstet solcher Reichtum« (Offenbarung 18, 8 und 17) – eine dank zeitgenössischer Technik mühelos realisierbar gewordene Vision. Schließlich naht das Weltgericht, die Toten werden, entsprechend den zu Lebzeiten vollbrachten Werken, belohnt oder auf ewig bestraft. »Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde vergingen, und das Meer ist nicht mehr« (Offenbarung 21, 1).

Durch die Offenbarung des Johannes wurde die Vorstellung von einer Weltendzeit zum geistigen Gemeineigentum im gesamten Einflußbereich der christlich-abendländischen Zivilisation; der Islam übrigens schließt sich den biblischen Vorstellungen an. Der Tag der Entscheidung, der Tag des Jüngsten Gerichts ist gekommen, »wenn die Sonne zusammengefaltet wird und wenn die Sterne herabfallen und wenn die Berge sich rühren und die hochschwangeren Kamelstuten vernachlässigt werden und wenn die wilden Tiere sich versammeln und wenn die Meere anschwellen …« (Koran, 81. Sure).

Im Lauf der Jahrhunderte wähnte man immer wieder Gottes Strafgericht nahe. Oft wurde es durch Kometen angekündigt; der beim Schreiben dieser Zeilen sonnennahe und diesmal recht müde Halleysche Komet spielte mehrfach die Rolle des himmlischen Flammenschwertes. Seit der letzten Jahrhundertwende wurde Weltuntergang massenweise zum literarischen Thema. Die Erde stößt mit Kometen zusammen (R. Falb/Ch. Blunt, »Der Weltuntergang«, 1899), ein Riß geht durch die überalterte Erde (Fr. Jacobsen, »Die letzten Menschen«, 1905), ein Gasball-Irrstern läßt beim Passieren der Erde alles Eisen weich werden, so daß die Zivilisation zusammenbricht (W. Bade, »Gloria«, 1939). Fast ausschließlich bedrohen Naturkatastrophen die Erde, und außer bei Jacobsen überstehen gemeinhin die Romanhelden den Weltuntergang.

Herbert George Wells ließ in »Der Krieg der Welten« (1898) Marsmenschen die Erde angreifen; ihr überlegener Vernichtungsfeldzug kann nur durch einen Zufall gestoppt werden. In mehreren Werken von Karel Čapek wird der Krieg als Verursacher tödlicher Bedrohung der Welt namhaft gemacht. Im Schauspiel »RUR« (1920) rotten die aus Profitinteresse geschaffenen und bewaffneten Roboter die Menschheit aus, im Roman »Das Absolutum oder Die Gottesfabrik« (1922) stürzt sich die Welt unter dem Einfluß maschinell produzierter Ideologie in den größten aller Kriege. »Der Krieg mit den Molchen« (1935) endet nur darum nicht mit der Vernichtung der Menschheit, weil der mitfühlende Autor die Molche sich zu böser Letzt gegenseitig bekriegen läßt.



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