Russka by Edward Rutherfurd

Russka by Edward Rutherfurd

Autor:Edward Rutherfurd [Rutherfurd, Edward]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Unknown publisher
veröffentlicht: 2013-06-24T16:00:00+00:00


Tatjana war so verliebt, daß es fast schmerzte. Kam Alexander ihr nahe, zitterte sie; lächelte er sie an, errötete sie; hörte sie einen Tag lang nichts von ihm, wurde sie blaß und stumm. Zur Zeit sah sie sehr schmal aus – sie hatte zwei Wochen lang kaum etwas gegessen.

Seit dem frühen Morgen stand sie am Fenster und sah hinaus. Es wurde bereits dunkel, als sie von unten Geräusche hörte. Nach einer Weile erschien ihr Vater in der Tür.

»Alexander Prokofievitsch macht dir seine Aufwartung. Er möchte dir etwas sagen.«

Tatjana stand auf, sie zitterte ein wenig. Zu ihrem Schrecken sah ihr Vater besorgt aus. »Ehe du hinuntergehst, Tatjana, muß ich dich etwas fragen: Bist du dir absolut sicher, daß du diesen Mann willst?« Sie starrte ihn an. Also war Alexander gekommen, um sie zu holen. Sie errötete. Wie konnte ihr Vater nur so etwas fragen! »Einen Augenblick, Papa.« Sie lief in ihr Zimmer, die Mutter folgte ihr, der Vater blieb zurück. Er hatte seine Vorbehalte gegen Bobrov. Alexander wartete unten. Eine Viertelstunde später öffnete sich die Tür. Alexander war überrascht von Tatjanas Anblick. Sie trug ein leuchtendblaues Kleid, das wundervoll zu ihrem hellen Teint paßte und ihre blaßblauen Augen strahlender erscheinen ließ. Er hatte ihr Gesicht rund und sanft in Erinnerung; nun aber hatte es den kindlichen Ausdruck verloren, und ihre Haut schimmerte fast durchsichtig. Ruhig lächelnd ging sie auf ihn zu. »Mein Vater sagte mir, daß Sie mich zu sprechen wünschen, Alexander.«

Er war von ihrem veränderten Anblick beeindruckt. Nun, diese starke junge Frau schien durchaus in der Lage, jenen erstaunlichen Brief zu schreiben, der ihn hatte zu Kreuze kriechen lassen. Was Alexander nicht wissen konnte: Tatjana hatte den Brief gar nicht geschrieben, genauer gesagt, es war zwar ihre Handschrift, sie hatte aber den Text nicht verfaßt. Und während sie schrieb, blickte sie immer wieder unsicher und mit Tränen in den Augen zu der alten Dame hin, die ihn in aller Ruhe diktierte. Als nämlich Tatjanas Mutter die Seelenpein des Mädchens nicht länger hatte mit ansehen können, wandte sie sich an die einzige Person, die die Angelegenheit mit Sicherheit regeln konnte. Und so hatte sie Tatjana heimlich mit zur Gräfin Turova genommen, obwohl sie die Dame kaum kannte.

Die Gräfin hatte einen strengen Ton in dem unerhörten Brief angeschlagen. Sie war einigermaßen stolz auf ihr Werk und voller Vertrauen auf das Ergebnis. »Er gehört dir, wenn du ihn willst«, sagte sie voraus.

Warum hatte Gräfin Turova sich dieser Mühe unterzogen? Keinesfalls weil Alexander oder dieses kleine deutsche Mädchen ihr sonderlich am Herzen lagen. Immerhin war er ein Verwandter, und das Mädchen war eine reiche Erbin. War Alexander erst einmal mit einer reichen Frau verheiratet, konnte er ihr vielleicht doch von Nutzen sein. Außerdem war es eine grandiose Gelegenheit, Macht auszuüben. Sie genoß es, den Spieler in seinem eigenen Spiel zu übervorteilen.

»Du weißt natürlich, daß er eine Geliebte hat«, bemerkte sie in aller Beiläufigkeit.

Tatjana errötete. Sie wußte es, denn ihre Mutter hatte es längst herausgefunden. Doch das war bei einem älteren Mann zu erwarten – es machte ihn noch geheimnisvoller und aufregender.



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