Russenkuss by Markus Müller

Autor:Markus Müller [Müller, Markus]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2015-05-09T16:00:00+00:00

14 Wusste ich’s doch, im Wursten sind wir echt klasse!

17.

Der junge Mann und das »Mehr«

Wir sitzen in unserer kleinen Küche und trinken wieder mal Kompott. Nur heute könnte ich schwören, dass das Wasser in der Badewanne eben tatsächlich rosa war!

Annuschka löffelt die Beeren aus ihrem Glas und sieht mich über den Tisch hinweg an. Dann strahlt sie plötzlich übers ganze Gesicht: »Weißt du was? Inzwischen freue ich mich richtig auf Köln.«

Und wie sie dasitzt, die nassen Haare in einem Handtuch zum Turban geknotet, im total ostig aussehenden, grell gemusterten Bademantel aus Semjons China-Ware, muss ich kurz an die letzte Frau denken, die mir so gegenübersaß. Ja, mag sein, Ella sah schicker aus in ihrem Seidenhemdchen, als sie mein Nutella auslöffelte. Doch mich überkommt plötzlich – man verzeihe mir den schwülstigen Ausdruck – unendliche Zuneigung. Ich fühle mich angekommen bei Annuschka. Ich muss nicht mehr raus in die freie Wildbahn, keine besoffenen One-Night-Stands mehr, kein Gebagger in der Kneipe, keine frustrierenden Abfuhren. Ich brauche mir das alles nicht mehr anzutun, denn ich will Annuschka und sonst keine. Auch wenn mit einer Deutschen sicherlich alles leichter wäre, technisch gesehen.

Ich nicke lächelnd zurück. »Wir werden das Kind schon schaukeln in Köln.«

Anna ist überrumpelt. »Wie meinst du das? Ich will ja auch Kinder, aber noch ist da nichts in Sicht.«

Das passiert, wenn man deutsche Metaphern schlicht ins Englische übersetzt. Woher soll Anna auch wissen, dass »we’ll swing the baby« einfach nur meint, wir werden es schon schaffen.

Annuschka ist erleichtert. »Ich dachte schon, du weißt mehr als ich.«

In dieser Nacht, sehr spät in der Nacht, erfahre ich dann allerdings doch etwas »mehr«. Mehr als mir lieb ist. Und erst mal bin ich heilfroh, dass Anna schon schläft und nicht mitbekommt, dass plötzlich Ella anruft. Ich habe gerade noch müde in die verrauschte Glotze gestarrt, jetzt haste ich hellwach in die Küche.

»Ella?«

»Ja, ich muss dich sprechen.«

Kein »Störe ich?« oder Ähnliches.

»Tja, also, ich bin noch in Russland, und hier ist es schon ziemlich spät …« Um genau zu sein, ist E-Burg der deutschen Zeit vier Stunden voraus.

»Ja, ach so, ich dachte, du wärst schon wieder zurück. Es ist wichtig.«

»Okay, was gibt’s denn?«

»Ich bin schwanger.«

Mir klappt die Kinnlade runter. Ich setze mich kurz an den Küchentisch. Dann stehe ich wieder auf und suche nach dem Wodka.

»Markus?«

»Ja, ich bin noch da.«

Ich finde kein Glas. Könnte daran liegen, dass mir auch ohne Wodka schon leicht schwummerig ist.

»Und ich bin mir sicher, dass es von dir ist.«

»Ganz sicher?«

Ella klingt gereizt. »Ja.«

Ich nehme einen Schluck direkt aus der Flasche. Dabei hat mich genau dieses Zeug in meine beschissene Lage gebracht. Ohne Suff hätten wir mit Sicherheit wenigstens ein Kondom benutzt. Ich schiebe die Flasche beiseite und fluche leise: »Scheiße!«

»Hast du was gesagt?«

Ich überhöre die Frage. »Ja, und was bedeutet das jetzt?«

»Ich will’s nicht kriegen, keine Sorge.«

Diverse hausgroße Findlinge rollen von meinem Herzen. Aus Rücksicht auf Ella versuche ich, mir die Erleichterung nicht allzu sehr anmerken zu lassen. »Okay, du willst also abtreiben?«

»Ja.« Sie schweigt.

Ich schweige auch.

»Ich habe jetzt einen Freund, Markus …«

»Ah, okay, äh, gratuliere.

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