Rosenhain by Claire Beyer

Rosenhain by Claire Beyer

Autor:Claire Beyer [Beyer, Claire]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt
veröffentlicht: 2013-08-13T00:00:00+00:00


Tauchen

Es war einer dieser immer gleichen Tage, an denen ich meinen Platz am Meer aufsuchte. Er lag im Schatten, nahe der Felswand. Von dort ging es nicht weiter, was mir nur recht war, denn es gab mir das Gefühl, nicht wählen zu müssen. Links von mir lag der Strand, die Besucher kamen zögernd an, blieben stehen, sahen nach der Sonne, schützten dabei die Augen mit den Händen und tasteten mit nackten Zehen im Sand nach der besten Stelle für den Sonnenschirm und die Bastmatten. Sie setzten sich, schauten zum Horizont, erhoben sich wieder, ordneten ihre Sachen, streiften ihre Kleider ab. Auf dem Weg ins Wasser drehten sie sich noch einmal um, als würden sie sich einprägen, was sie zurückließen.

Mich sahen sie nicht, keiner hob den Blick über seinen Besitz hinaus. Mir kam das gelegen, ich wollte nicht, dass sie sich von mir beobachtet glaubten. Ich interessierte mich nur für das Meer. Die Rituale der Badenden nahm ich wie den Lauf der Sonne. Auch sie streifte meinen Sitzplatz nie, weil ein Überhang der Felswand, zackig und zerklüftet, sie daran hinderte. Jeden Tag wollte ich dort verbringen, seit ich den Platz vor Jahren entdeckt hatte. Manchmal, wenn das Wasser über den Sandstrand stieg, wurde es ungemütlich, die Gischt ergoss ihren milchweißen Schwall über mich, doch meist konnte ich den Weg der Wellen abschätzen und ihnen ausweichen. Ich atmete tief ein, roch die Kraft des Meeres und wusste stets, wann ich meinen Platz verlassen musste.

Die beiden Männer, die jetzt den Weg über die Felsen in meine Richtung einschlugen, hatte ich hier nie zuvor gesehen. Als sie näher kamen, erkannte ich Taucheranzüge und Sportschuhe, was die Leichtigkeit erklärte, mit der sie sich auf den scharfkantigen Steinen bewegten. Auch ich hätte Schuhe tragen sollen, konnte mich aber nie dazu entschließen. Stattdessen nahm ich immer wieder Schnittwunden in Kauf, die im salzigen Wasser brannten.

In ihrer Gummihaut wirkten die Männer wie Zwillinge, doch beim genaueren Hinsehen bemerkte ich den Altersunterschied und tippte auf Vater und Sohn, obwohl allein ihre Statur dafür sprach, nicht ihre Gesichtszüge. In Wahrheit war mir das gleichgültig. Ich hoffte nur, dass sie bald wieder kehrtmachten. So war es auch. Der Jüngere kletterte noch ein Stück das Kliff hoch, während sich der Ältere vor mir auf einen Felsen gesetzt hatte und den Blick aufs Meer richtete. Das alles dauerte gerade so lange, dass sie nichts von der Magie mitnehmen konnten, die mich jeden Tag an diesen Platz zog. Sie nickten mir zu, verschwanden dann schnell und leichtfüßig. Ich blieb noch eine Weile, zählte zwanzig weitere Wellen ab, ehe ich aufbrach. Behutsam und viel langsamer als die beiden vor mir.

Zum Abendessen kehrte ich immer bei Juan ein. Er musste sich bei mir keine große Mühe geben, weil ich nur Wein, Brot, einige Oliven und Käse zu mir nahm. Sobald er mich sah, holte er den kleinen Tisch aus der Küche, stellte ihn an den Rand der Terrasse, direkt vors Geländer, schob einen Stuhl heran, und noch bevor ich meine Beine ausgestreckt hatte, servierte er schon.



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