Roman und Juliane by Schlott Jutta

Roman und Juliane by Schlott Jutta

Autor:Schlott, Jutta [Schlott, Jutta]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Im Lokal der Herberge, in das sie sich auf ein Glas Bier setzen wollte, schlug ihr dumpfe Trunkenheit entgegen. Sie traute sich an einen freien Tisch in der Nähe des Tresens. Ein junger Mann in einem T-Shirt, das aussah, als hätte es jemand aus einer Deutschland-Fahne geschnitten, stellte dem Mädchen unaufgefordert ein Halb-Liter-Glas schlecht gezapften Biers auf die Tischplatte. Er wurde von den Gästen »Bubi« gerufen.

Gleich darauf kam ein älterer Mann zu Anja an den Tisch, er hatte Mühe, die eingeschlagene Richtung zu halten, bevor er sich auf einen Stuhl fallen ließ.

»Darfst du denn schon Alkohol trinken«, erkundigte er sich. Mit dem Wort Alkohol hatte er hörbare Schwierigkeiten.

Bloß nichts sagen, dachte Anja, bloß kein Gespräch anfangen. Den werd ich nie wieder los.

»Ich will einem jungen Menschen mal was aus meinem Leben erzählen«, fing der Betrunkene an. »Da kannst du was von lernen, sag ich dir!« Er kicherte: »Über mir können sie auch Filme drehen, Serie, sag ich dir!«

Eine Weile stierte er vor sich hin, dann begann er lallend und zusammenhanglos zu erzählen, daß seine Schwester in Rostock lebe, daß er in Königsberg geboren sei, daß er in drei Wochen seine Schwester besuchen fahre und daß, wenn er wolle, er auch so reden könne wie die Fischköppe da oben.

»Aber die da«, der Ältere drehte sich um und wies auf einen Männertisch an der Rückwand der Kneipe, »die sind schlimmer dran als ich.«

An dem Tisch saßen acht Männer in mittlerem Alter. Sie stritten und redeten durcheinander. Vielleicht waren das die letzten ausharrenden Rötelhainer, von denen Anja im Zug in einer liegengelassenen Zeitung gelesen hatte. Diejenigen, die nicht weichen wollten, weil sie die Entschädigung, die gezahlt wurde, für zu niedrig hielten, oder die einfach Haus und Garten nicht verlassen wollten, in denen sie über Jahrzehnte gelebt hatten.

»Hannes«, rief die Wirtin, die durch die Küchentür in die Kneipe gekommen war. »Laß mal die Kleine in Ruhe. Da hast du nix zu suchen. Mach dich an deinen Platz!«

Gehorsam erhob sich Anjas Gegenüber und steuerte auf einen Tisch in Fensternähe zu.

Nach dem lauten Ruf der Wirtin trat einen Moment lang Stille ein. Vom nahen Horizont breitete sich das Kreischen, Donnern und Jaulen der Bagger bis ins Lokal der Herberge aus.



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