Quantum Dawn by Thore D. Hansen

Quantum Dawn by Thore D. Hansen

Autor:Thore D. Hansen [Hansen, Thore D.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-02-22T00:00:00+00:00


ZWEIUNDDREISSIG

BRÜSSEL, 31. OKTOBER

»Derek, das ist völlig inakzeptabel. Was reden Sie da?«

»Tut mir leid, Patrice, aber so, wie es aussieht, geht Scotland Yard davon aus, dass Denver im Auftrag von Former einen oder vielleicht mehrere betrügerische Algorithmen entwickelt hat.«

Lascaut überlegte kurz, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und blickte auf die beleuchtete Fassade des belgischen Justizministeriums. Vielleicht wäre es gar kein Fehler, Derek und alle Beteiligten genau dies einfach glauben zu lassen.

»Hören Sie, Derek, Denver hat Former mit absolut obskuren Vorwürfen erpresst. Dazu gehören auch E-Mails, die er nachweislich mit Naravan gefälscht hat. Es gibt keine Beweise dafür, dass Former auch nur im Ansatz so etwas in Auftrag gegeben hat.«

»Ich werde nicht verhindern können, dass Scotland Yard eigene Schlüsse zieht, Patrice.«

»Wir werden sehen«, sagte Lascaut, legte auf und fragte sich einmal mehr, auf wessen Seite dieser Derek Simon eigentlich spielte. Er ging durch sein riesiges Arbeitszimmer mit alten Kolonialmöbeln, schweren genieteten Ledersesseln, Unmengen von Büchern und Zeitungen. Von seinem monumentalen Schreibtisch aus der Empire-Zeit nahm er seine Tasse Tee und nippte daran. Er ging zum Fenster und dachte nach. Eigentlich hatte er vom Hochfrequenzhandel keinen blassen Schimmer, er wusste nur ungefähr, zu welchem Zweck diese Handelsysteme wirklich entwickelt wurde, aber das spielte jetzt vielleicht keine Rolle mehr. Wenn dieser Erik Feg nichts für ihn tun konnte, würde die ganze Sache sicher bald auffliegen. Für manchen Schachzug musste man sich nur Zeit lassen – Zeit, die wir kaum haben, dachte er und blickte in den Wirtschaftsteil der Le Monde. Aber an Aufgeben wollte er nicht denken. Die Zeitung meldete, dass die EU die Boni der Banker nochmals weiter eingeschränkt hatte. Das alles war für Lascaut nur Kosmetik. Bis zum Ausbruch der Finanzkrise hatte er bald ein Jahrzehnt die Auswüchse – die Deregulierung der Banken in der EU-Kommission – beobachtet, und mit besten Verbindungen zu den Parlamentariern versuchte er seit ein paar Jahren, gegen die Heerschar von Lobbyisten in Brüssel zu kämpfen. Doch auch er hatte lange Zeit an den freien Markt geglaubt und musste sich nun eingestehen, dass auch er bis zum letzten Crash felsenfest davon überzeugt gewesen war, dass der Markt alles regulieren würde. Wie viele andere war er ein Verfechter des Trickle-down-Effekts.

Diese in seinen Augen gescheiterte Theorie und Rechtfertigung des internationalen Killerkapitalismus ging davon aus, dass die Vermehrung von Reichtum, sobald sie ein bestimmtes Niveau erreicht habe, automatisch zur Verteilung in Richtung der Armen führen würde. Die Wirklichkeit sah anders aus. Ab einem bestimmten Volumen von Kapital konnten sich die Bosse eines Finanzimperiums oder einer transnationalen Gesellschaft kein moralisches Handeln mehr leisten. Ihr Zwang zum Fortschritt, der Kampf um ihr persönliches Überleben und die ständige Ausweitung ihres Imperiums verlangten ein absolut amoralisches Verhalten.

Beim Ausbruch der letzten Finanzkrise hatte Lascaut mit ansehen müssen, wie sich die Hälfte seines Vermögens in Luft aufgelöst hatte, da das Ausmaß dieser Krise auch vor soliden Werten keinen Halt gemacht hatte. Als dann in einem Teil der europäischen Bevölkerung wieder die alten Ressentiments vom Finanzjudentum in den USA hochkamen, war für ihn eine rote Linie überschritten.



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