Onnen Visser - Der Schmugglersohn von Norderney by Sophie Wörishöffer

Onnen Visser - Der Schmugglersohn von Norderney by Sophie Wörishöffer

Autor:Sophie Wörishöffer [Wörishöffer, Sophie]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Classics Fiction
veröffentlicht: 2017-03-15T00:00:00+00:00


15

Die braune Farbe auf den Gesichtern der drei Deutschen war erneuert worden; Mikosch hatte es sogar verstanden, ihre Haare kohlschwarz zu beizen, und so ausgerüstet wagten sie es, mit den Zigeunern dem Einzuge der Franzosen entgegenzugehen.

Napoleon selbst, Murat und Davoust sollten in die Dorogomilowsche Barriere einrücken — das wollten sie ansehen.

Nur Gesindel befand sich hier in der Gegend des äußeren Tores auf den Straßen; vor dem Kreml, der innersten ältesten Stadt, hatten sich fünfhundert Bewaffnete aufgestellt, nicht in dem eigentlichen Gedanken, durch ihre geringe Anzahl dem Eindringen der französischen Armee einen erfolgreichen Widerstand entgegenzusetzen, sondern getrieben von jener bitteren Verzweiflung, die nicht tatenlos bleiben kann, eben weil sie lieber untergehen, als das Gefürchtete, Untragbare ruhig geschehen lassen möchte.

Aber auch selbst das Gesindel schämte sich im hellen Lichte des Morgens seiner schlimmen nächtlichen Pläne. Stumm, mit zusammengebissenen Zähnen standen die Männer, drohend ballten die Weiber ihre Fäuste.

»Sie können wohl einziehen, die sauberen Herren Franzosen, die Räuber von Smolensk, aber ob alle, die heute unsere Stadt betreten, später auch mit heiler Haut aus derselben wieder herauskommen — dafür will ich nicht bürgen.«

»Sie haben es verschuldet, daß sich in ganz Moskau kein Tröpfchen Branntwein mehr befindet!«

»Hoho! Hoho! Ich allein will wenigstens zehn von diesen Mordgesellen in die Ewigkeit schicken. Man sagt, daß so ein Franzose ein Flederwisch sei, ein Kerlchen, das jeder kräftige Russe auf seinen Armen davonträgt! Ich nehme ein paar von den Schurken und werfe sie in den Moskwafluß, gerade da, wo der Branntwein verschüttet wurde; ihr alle sollt es sehen.«

Ein Gelächter folgte diesen Worten. »Dann hättest du nach Smolensk gehen und sie dort in die Kolotzscha werfen sollen, langer Peter!«

Ein Kanonenschuß zerriß plötzlich die Luft; atemlos horchten alle. Die Weiber schrien laut auf, sie rissen ihre Kinder an sich, viele flohen wie sinnlos. »Seht ihr etwas? — Seht ihr etwas?«

Ein paar halbwüchsige Jungen waren auf die nächsten Bäume geklettert; sie überwachten die Landstraße. »Noch ist alles leer.« Banges Schweigen beherrschte die Gruppen, selbst der lange Peter hatte seine Prahlereien eingestellt, mehr als nur ein Schreier und Großsprecher war in aller Stille verschwunden. Der Kanonenschuß hatte die Wirklichkeit den Leuten nähergerückt, sie fühlten ihre Herzen schlagen und verstummten.

»Es entstehen große Staubwolken!« riefen die Wächter auf den Bäumen.

Ein Kreischen antwortete. »Das werden sie sein, die Räuber, das werden sie sein! Heilige Mutter Gottes, stehe uns bei!«

»Ja, ja, sie sind es, ich sehe die blanken Gewehrläufe!«

»Und die Pferde! — Einer reitet voraus!«

»Herrgott! Herrgott, verlasse uns nicht!«

Jetzt flüchteten auch die Mutigeren. Nur wenige blieben zurück; lang und öde, verlassen von allem Lebenden, dehnte sich die Straße.

»Mikosch«, flüsterte Onnen, »wenn nun Oberst Jouffrin zufällig unter den ersten wäre!«

»Dann denkt er sicherlich an anderes als an ein paar deutsche Deserteure. Übrigens ist es lauter Kavallerie, die ich kommen sehe.«

Allmählich traten die Gestalten der Reiter und ihrer Tiere deutlicher aus den wallenden Staubwolken hervor. Ein unübersehbarer Zug näherte sich der Stadt, Generale in voller Uniform, Offiziere jeder Waffengattung, Fürsten und Marschälle mit prachtvoller, im Sonnenglanze blitzender Ausrüstung. Allen voraus ritt ein breitschultriger, untersetzter Mann mit einem dreieckigen



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