Nukleus by Fischer Claus Cornelius

Nukleus by Fischer Claus Cornelius

Autor:Fischer, Claus Cornelius [Fischer, Claus Cornelius]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blessing
veröffentlicht: 2013-02-03T17:00:00+00:00


3 7

Ella sah zu der afrikanischen Maske an der Wand auf, die sie mit seelenloser Grausamkeit anzustarren schien. Sie dachte an das, was sie gerade gehört hatte und dann an das, was Nerin ihr in Berlin erzählt hatte, und sie fragte sich, was schlimmer war. Offenbar hast du doch ziemliches Glück gehabt, dachte sie.

Sie stand auf und ging in den Gang hinaus. Von einer Minute auf die andere war sie so müde geworden, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte. Die Tür zu Toris Studio war geschlossen; sie konnte nur das an- und abschwellende Stöhnen hören, begleitet vom leisen Surren eines batteriebetriebenen Geräts. Daneben gab es nur noch zwei andere Türen, eine zum Bad und die andere zu einem Raum, der halb Schlafzimmer und halb Büro zu sein schien.

Dieser Raum stand der Küche an Unordnung in nichts nach: Es gab eine Stehlampe, deren orangefarbener Kreppschirm an eine Pyramide erinnerte, und einen ausgebleichten Perserteppich, bedeckt mit verstreuten Kleidungsstücken. An der Decke hing ein Mobile aus bunten Glasprismen. Am Fenster stand ein mit grobem weißem Leinen bezogenes Schlafsofa, auf dem ein halbes Dutzend kleine, mit Chintz bezogene Kissen ein Lager für eine ramponierte Stoffpuppe bildeten. Auf einem Nierentisch vor dem Sofa lag ein großer dunkelblauer Himmelsatlas neben einem Stapel anderer Bücher über das Sonnensystem und seine Planeten.

Ella setzte sich auf die Couch, lehnte sich zurück und schloss einen Moment die Lider. Wenig später erwachte sie mit einem Ruck, weil jemand sie berührt hatte. Tori stand, jetzt in einem Hausmantel aus löwenzahngelber Seide, vor ihr, mit leicht geröteten Wangen. »Du kannst gleich weiterschlafen«, sagte sie. »Aber lass mich vorher noch Bettwäsche aufziehen.«

Sie wirkte verändert, nicht mehr so verzweifelt, selbstsicherer. Sie versuchte es sogar mit einem Lächeln, das für jeden echt gewirkt hätte, der nicht auf die Verzweiflung in ihren Augen achtete. Ella stand auf. »Ich möchte dich noch etwas fragen«, sagte sie, benommen vom abrupt unterbrochenen Schlaf. Sie holte ihr Handy aus der Jackentasche und rief das Foto auf, das sie in Annikas Praxis von der verwirrenden Grafik auf der Leinwand gemacht hatte. »Hast du das schon mal gesehen? Es hing bei Anni an der Wand. Hat sie dir das mal gezeigt?«

»Nein.«

Ella wollte das Handy bereits wieder zuklappen, als Tori hinzufügte: »Aber ich habe es trotzdem schon mal gesehen. Nur nicht bei Anni.«

»Wo denn?« Jäh war Ella hellwach.

»Hier.« Tori ließ sich auf die Couch fallen, nahm das große Buch über das Sonnensystem vom Beistelltisch und blätterte es schnell durch, bis sie es bei einer Doppelseite etwa in der Mitte aufschlug. Die großformatige Abbildung zeigte auf tiefschwarzem, an den Rändern ins Blaue, Violette und Dunkelrote spielendem Hintergrund eine goldene Kugel, umgeben von etwa zwei Dutzend kleineren, aber ebenfalls goldenen Punkten. Zwischen den Punkten schwebten noch zahllose weniger helle Körner wie winzige Löcher in der Schwärze des Alls. »Siehst du?«

Ella setzte sich neben sie und verglich die schwarzweiße Grafik auf dem Display ihres Handys mit der farbigen Abbildung, und allmählich erkannte sie die Übereinstimmungen. »Ist das die Sonne da in der Mitte?«, fragte sie.



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