Nie werde ich den Tag vergessen by Alrun von Berneck

Nie werde ich den Tag vergessen by Alrun von Berneck

Autor:Alrun von Berneck [Berneck, Alrun von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-13T23:00:00+00:00


* * *

Als Doktor Berning in seinem Zimmer den Hörer wieder auf die Gabel zurücklegte, sagte er zu seinem Freund Hans:

„Du mußt mich jetzt einen Augenblick entschuldigen, ich bekomme Besuch!“

„Lieben Besuch?“ fragte der Anwalt verschmitzt.

„Sehr lieben sogar! Am liebsten möchte ich die Frau durchs Fenster werfen!“

„Aber warum denn? So behandelt man doch keine Frau!“

„Leider! Manchmal möchte man sich direkt wünschen, man dürfte so, wie man möchte!“

„Und diesmal möchtest du? Was hat sie dir denn getan?“

„Getan hat sie mir noch nichts, aber sie möchte wohl gern. Ich glaube, sie würde mir die Augen auskratzen, wenn sie könnte. Und das alles nur, weil sie sich von mir vernachlässigt fühlt!“

„Du bist ihr doch nicht irgendwie verpflichtet?“

„Sie war meine Patientin, ich habe sie operiert und nach der Heilung entlassen. Aber sie bildet sich ein, daß die ärztlichen Beziehungen auch mit rein menschlichen verquickt sein müßten.“

„Ah, ich verstehe. Als Arzt hast du sie nun aus deiner Obhut entlassen, und da gefällt es ihr nicht, daß hiermit auch die menschlichen Beziehungen abgebrochen sind.“

„So ist es! Und nun kommt sie dauernd hierher und macht mir Vorwürfe.“

„Aber Ralph, das ist ja Hysterie! Hat sie denn gar kein Gefühl dafür, wie schlecht es einer Frau ansteht, einem Manne nachzulaufen?“

„So deutlich sagt sie es auch wieder nicht. Sie will mich nämlich als Arzt zu sich zwingen und nicht als Mann. So schlau ist sie natürlich auch!“

„Und selbstverständlich sprichst du nur als Arzt zu ihr?“

„Was sollte ich wohl sonst tun?“

„Na ja, was solltest du schon tun!“

„Du glaubst nicht, welche Mühe es mich kostet, mich nur als Arzt zu geben und immer höflich zu ihr zu sein. Könnte ich den Arzt nur ein einziges Mal abstreifen und als Mann zu ihr sprechen, würde ich sie einfach hinauswerfen. Aber man hat Rücksichten zu nehmen, du weißt ja, der Ruf des Hauses! Frauen dieser Art können sehr gefährlich werden!“

„Armer Kerl! Du bist wirklich zu bedauern!“ sagte Hans halb im Ernst, halb im Scherz.

„Im Grunde genommen tut mir die Frau eigentlich leid“, fuhr der Freund fort. „Sie wurde von ihrem Mann nach unglücklicher Ehe geschieden, dann hat sie nach einem Ausgleich gesucht und nicht gefunden. Und als sie auch noch lungenkrank wurde, verlor sie jeglichen Halt. Nun klammert sie sich an mich, ihren Arzt. Ihren Körper habe ich zusammengeflickt, aber ihre Seele? Da bin ich machtlos! Sie hat sich in einen Wahn hineingesteigert, bei dem auch ein Psychiater alle Kraft aufwenden müßte, und ich bin nur ein einfacher Chirurg!“

„Und nun benutzt sie die Tatsache, daß du ihr Arzt bist, um dich als Mann für sich zu gewinnen! Keine beneidenswerte Lage, mein Lieber! Aber ich glaube, das schaffst du noch, du bist ja schon mit ganz anderen Dingen fertig geworden!“

„Der Himmel gebe es!“ antwortete Ralph mit einem tiefen Seufzer.

„Na, dann Hals- und Beinbruch!“ sagte Hans und reichte dem Freund die Hand. Als er den Raum verließ, prallte er in der Tür fast mit jener Dame zusammen, von der soeben die Rede gewesen war. Mit hochrotem Kopf rauschte sie an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten.

Da zog er mit einem bedauernden Achselzucken die Tür hinter sich ins Schloß.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.