Nekropole by Hohlbein Wolfgang

Nekropole by Hohlbein Wolfgang

Autor:Hohlbein, Wolfgang [Hohlbein, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: e-book Egmont LYX
veröffentlicht: 2012-10-16T16:00:00+00:00


Kapitel 19

Abu Dun war nur einen Sekundenbruchteil nach ihm am Rand des bodenlosen Loches, das plötzlich dort klaffte, wo noch ein Lidzucken zuvor der vermeintlich massive Boden der Arena gewesen war. Die Ränder des Kraters bröckelten weiter und schienen ihm regelrecht entgegenzuspringen, als wollte ihn nun die Erde selbst verschlingen, und plötzlich war unter seinen Füßen nichts mehr. Da schloss sich Abu Duns eiserne Pranke um seinen Nacken und riss ihn so mühelos zurück, wie ein Erwachsener ein Kind davon abhalten mochte, sich leichtsinnig einem gefährlichen Abgrund zu nähern. Der nubische Riese war allerdings nicht hilfsbereit genug, ihn behutsam abzusetzen. Vielmehr ließ er ihn einfach los, und Andrej fiel so schwer auf den Rücken, dass ihm für einen Moment die Luft wegblieb.

Als er wieder sehen konnte, knieten außer ihm alle – selbst Hasan – am Rande des gähnenden ovalen Lochs. Jahrtausendealter Staub drang ihm in Rachen und Nase und brachte ihn zum Husten, und als er sich – jetzt vorsichtiger – zum zweiten Mal dem Rand näherte, erkannte er im ersten Moment nichts außer Schwärze, in der sich etwas noch Dunkleres zu bewegen schien. Eine sonderbare Verlockung ging davon aus, als wäre die Lichtlosigkeit selbst zu … etwas geworden, etwas auf grässliche Weise zugleich Fremdes wie düster Vertrautes, das ihn rief und ihn im gleichen Maße warnte, wie es ihn mit unwiderstehlicher Kraft anzog. Wie eine entzündete Wunde, die immer unerträglicher juckte und an der er doch kratzen musste, obwohl er wusste, dass er sich nur noch mehr Schmerz zufügen konnte, wenn er sie berührte.

»Was bedeutet das?«, stammelte Hasan. Fast wimmerte er es. »Ali! Was geht hier vor?!«

Andrej presste die Kiefer so fest aufeinander, dass es wehtat. Das uralte Holz unter seinen Füßen hatte längst aufgehört zu zittern, aber er hatte trotzdem das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren – oder den Halt in der Wirklichkeit, falls da überhaupt ein Unterschied war. Hasan sagte noch irgendetwas, doch er vermochte den Worten keine Bedeutung zuzuordnen. Alles drehte sich um ihn. Er hätte sich gerne eingeredet, dass er dabei war, den Verstand zu verlieren, aber das konnte er nicht, denn er wusste, dass es in Wahrheit etwas unendlich viel Schlimmeres war.

»Ein Seil!«, befahl Hasan scharf. Panik lag in seiner Stimme. »Bringt ein Seil! Jemand muss sie suchen!«

Unverzüglich brach überall um ihn herum hektische Aktivität aus, doch Andrej hatte Mühe, nicht hysterisch loszulachen, während sich zugleich Angst in ihm breitzumachen begann. Hatte Hasan jetzt endgültig den Verstand verloren? Ayla war in Gefahr, wer brauchte da ein Seil?

Noch in der Hocke schnellte Andrej vor und unter Abu Duns – viel zu spät – zupackender Hand hindurch, bevor er sich einfach in die bodenlose Tiefe fallen ließ.

Sie war nicht ganz so tief, wie es den Anschein gehabt hatte, und schon gar nicht bodenlos. Statt auf den Füßen oder auf Händen und Knien zu landen schlug er viel früher als erwartet und so hart auf, dass er unwillkürlich einen keuchenden Schrei ausstieß, als ihm die Luft aus der Lunge gepresst wurde. Erneut wurde alles um ihn herum dunkel.



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