MuskelRevolution by Marco Toigo
Autor:Marco Toigo
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg
Die Längenanpassung steht im Dienste der optimalen Sarkomerlänge
Warum verlängern sich die Muskeln bei chronischer passiver Dehnung nicht einfach, indem sie ihre Sarkomere in die Länge dehnen statt deren Anzahl in Serie zu vergrößern? Die Antwort lautet, dass es aus mechanischer Sichtweise sinnvoll ist, wenn die Sarkomere nahe bei oder auf dem Plateau ihrer Länge-Kraft-Relation operieren (Abb. 2.1b; s. auch Abschn. 2.8.3), denn bei dieser Länge ist ihre Kraft maximal. Aus regelungstechnischer Sicht ist es sinnvoll, wenn die Sarkomere auf dem aufsteigenden Ast der Länge-Kraft-Relation aktiv sind, weil sie dort von Natur aus mechanisch stabiler sind. Weniger sinnvoll erscheint dagegen, wenn die Sarkomere auf dem absteigenden Ast der Länge-Kraft-Relation operieren, denn es wurde postuliert, dass Sarkomere auf diesem Teil der Kurve mit zunehmender Länge mechanisch instabiler werden (s. Abschn. 7.4).
Zusammengefasst ist es daher schlüssig, dass primär die Länge der einzelnen Sarkomere kontrolliert wird, das heißt die Verlängerung eines Faszikels durch die Addition von ungefähr gleich langen Sarkomeren erfolgt und nicht durch eine Dehnung der bestehenden Sarkomere. Letzteres würde die mechanische Stabilität des Muskels reduzieren. In der Tat operieren die meisten Muskeln bei einer stereotypischen Sarkomerlänge, die kontrolliert wird. Dies zeigt sich dadurch, dass die Zahl serieller Sarkomere eines bestimmten Muskels für ähnlich große Personen oder Tiere derselben Spezies sehr konsistent ist und eine sehr plastische und strikt regulierte Größe darstellt (Burkholer und Lieber 2001).
Die wissenschaftliche Datenlage spricht also stark für die vereinfachende Annahme, dass sich die Muskellänge so an die Beanspruchung anpasst, dass die Sarkomere bei optimaler Länge, das heißt auf oder nahe dem Plateau der Länge-Kraft-Relation , operieren. Bei der optimalen Länge ist die Filamentüberlappung optimal und die resultierende Kraft maximal. Eine Analyse von 36 unabhängigen Studien mit 52 unterschiedlichen Muskeln aus acht unterschiedlichen Spezies (darunter auch der Mensch) zeigte in einer ersten Annäherung an das Thema, dass ein typischer Muskel bei 94 ± 13% der optimalen Sarkomerlänge operiert (Burkholder und Lieber 2001). Diese Spannbreite deckt wie erwartet einen substanziellen Teil des aufsteigenden Astes, das Plateau und einen kleinen Teil des absteigenden Astes der Länge-Kraft-Relation ab. Auf die Kurve projiziert liegt die Spannbreite daher nicht mittig, sondern ein wenig nach links zum aufsteigenden Ast hin verschoben.
Es ist wichtig zu verstehen, dass ein Muskel seine Länge durch Addition und Subtraktion von seriellen Sarkomeren an die aktuelle Beanspruchung (Training oder Inaktivität usw.) anpasst. Wenn nur Muskelleistung gefragt ist, so werden alle Anpassungen daran ausgerichtet. Stehen aber Gelenkstabilität bzw. -fixierung im Vordergrund, so wird sich das muskuloskelettale System darauf einstellen, auch zulasten der produzierbaren Muskelleistung.
Welche funktionellen Konsequenzen hat die Anpassung der Faserlänge beim Menschen? Wenn die Muskelfaserlänge durch Steigerung der Zahl an seriellen Sarkomeren zunimmt, so steigt einerseits die Geschwindigkeit der Längenänderung (z. B. die maximale unbeladene Verkürzungsgeschwindigkeit , Abb. 3.1b; s. Abschn. 3.1), was sich potenziell in einer Steigerung der Bewegungsschnelligkeit manifestieren kann. Andererseits nimmt der ROM zu (Abb. 3.1a; s. Abschn. 3.1), sofern natürlich die Auslenkung nicht durch das Gelenk bzw. eine reduzierte Gelenkigkeit limitiert ist. Zudem steigt die Fähigkeit einer Muskelfaser, Kraft zu generieren, mit zunehmender Faserlänge für jede gegebene Verkürzungsgeschwindigkeit (Abb. 3.
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