Mortis by John French

Mortis by John French

Autor:John French
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2021-03-22T11:00:00+00:00


Düsterer Engel

Fall

Atem

Südliches Marmax

Im Klingendraht hing ein toter Mann, der nicht zur Ruhe kommen wollte. In den Überresten des Bunkers hörte Katsuhiro das Rasseln von Draht und das Scharren von Füßen im Dreck. Er versuchte, nicht darauf zu achten, senkte den Kopf und flüsterte stumme Worte. Es waren seine Worte, schlichte Bitten und Erinnerungen an tröstliche Gedanken.

Beschütze mich, solange ich dir diene …

Er grub sich durch den Nebel seines erschöpften Geistes und sah wieder das Licht, das von der Frau namens Keeler ausging. Vor seinem geistigen Auge erstrahlte der Tag in goldener Helligkeit.

Beschütze jene, die ich nicht beschützen kann …

Draußen an der Frontlinie klirrte der Klingendraht in der Stille des Tages. Er versuchte, sich wieder auf das Licht und die Worte zu konzentrieren.

Gib mir Kraft …

»Hört das auch irgendwann mal auf?«, durchbrach Steenas Stimme die Stille. Katsuhiro öffnete die Augen. Die Worte und die goldene Erinnerung verblassten und wichen der gelblich grauen Düsternis der Gegenwart. Der Morgen graute, auch wenn Tag und Nacht sich mittlerweile so ähnlich geworden waren, dass es kaum noch einen Unterschied machte. Er befand sich mit drei anderen Soldaten im Bunker. Eine von ihnen war Steena, die anderen beiden kannte er nicht. Vielleicht hatte er sie schon einmal gesehen, aber er war sich nicht sicher und wollte es auch nicht wissen.

Seit seiner Ankunft hatte sich das südliche Marmax verändert. Es war kaum noch etwas davon übrig. Die unteren Mauern waren zertrümmert und nur einige Abschnitte ragten noch in die Höhe. Selbst wenn noch genug von der Mauer übrig gewesen wäre, gab es kaum noch Arbeitertrupps, um die Lücken zu versiegeln. Die Frontlinie war ein Archipel aus zerbrochenen Mauern und zerstörten Bunkern. Die Geschütztürme waren nicht mehr als Geröllhaufen. Katsuhiro wusste nicht, wo sich die ursprünglichen Stellungen befunden hatten. Sie hatten sich zurückgezogen und die übrig gebliebenen Ruinen bemannt. Das neue Niemandsland war vermint und mit Klingendraht gesichert worden. Auch der Feind hatte sich verändert. Die Farben und der Wahnsinn des Angriffs an seinem ersten Morgen waren fort. In den Augenblicken, wenn die Risse der Schwäche breiter wurden, sehnte er sich sogar nach ihnen zurück. Auf eine merkwürdige Weise wäre das Grauen erlösend gewesen. Katsuhiro wusste, dass nicht nur er so dachte.

Ein weiterer gurgelnder Schrei erklang außerhalb des Bunkers. Draht sirrte und rasselte.

»Ruhe!«, rief Steena. Sie zitterte. Sie versuchte häufig zu schlafen, fand aber selten Ruhe, und wenn die Träume kamen, war das Erwachen schlimmer als die Erschöpfung. In den letzten vier Tagen hatte Steena im Schlaf geweint. »Ruhe, verdammt noch mal!« Sie schrie und hämmerte mit den Fäusten so stark auf den Boden, dass Blut floss. Die anderen beiden Soldaten sahen sie an. Einer von ihnen legte den Finger auf den Abzug seines Gewehrs.

»Ich kümmere mich darum«, sagte Katsuhiro und stemmte sich in die Höhe. Er legte Steena eine Hand auf die Schulter. »Ich kümmere mich darum, in Ordnung?« Er drehte sich zu den anderen beiden Soldaten um, blickte in ihre blutunterlaufenen Augen und nickte in der Hoffnung, dass die Geste zuversichtlicher wirkte, als er sich fühlte. Sie antworteten nicht, aber der Finger löste sich vom Abzug.



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