012 - Alle sehen dich by Susanne Mischke

012 - Alle sehen dich by Susanne Mischke

Autor:Susanne Mischke [Mischke, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller/Krimi
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2023-01-08T23:00:00+00:00


Donnerstag, 10. März 2022, später am Abend

»Vielleicht war es die Liebesgabe einer Katze«, meint Rifkin.

»Machen die so was? Mäuse auf Fußabtreter legen?«

»Ja, und auf Bettvorleger.«

Raukel nickt. Nach einem vernünftigen Essen – Schnitzel mit Pommes, den Salat hat er an Rifkin abgetreten – steht nun das dritte Glas Pils vor ihm, und es geht ihm schon viel besser.

»Auf Liebesgaben!« Raukel hebt sein Glas.

»Und den Weltfrieden«, knurrt Rifkin.

Sie stoßen an. Rifkin trinkt Weißwein und hat sich zuvor irgendetwas Vegetarisches einverleibt.

Doch schon nach dem nächsten Schluck kommen Raukel wieder Zweifel. Er hat keine Beziehung zu einer Katze, die eine Liebesgabe in irgendeiner Form rechtfertigen würde. Seines Wissens gibt es im Haus gar keine Katze, zumindest keine frei laufende. Theoretisch könnte ein Streuner ins Haus gekommen sein und die Maus auf seinem Abtreter abgelegt haben, aber dieses Szenario erscheint ihm höchst unwahrscheinlich. Jedenfalls ist so etwas bisher nie vorgekommen.

Rifkin ist wohl wieder einmal in der Lage, seine Gedanken zu lesen, denn sie fragt: »Hast du Angst vor ihr?«

»Ein bisschen schon. Sie ist möglicherweise auf Rache aus, und sie ist Russin. Man sieht ja gerade, wozu die fähig sind.«

Rifkin grinst und wechselt das Thema: »Wieso bist du eigentlich so obszön braun?«

»Ich war auf Malle!« Raukel faltet zufrieden die Hände über der sanften Wölbung seines Astralleibes.

»Malle? Echt jetzt? Was ist mit deiner Persönlichkeitsbildung?«

»Ich konnte ein paar Tage zwischen die einzelnen Lehrgänge schieben.«

»Hast du schon viel gelernt?«, erkundigt sie sich mit viel Spott im Tonfall.

»Es läuft alles wie am Schnürchen.«

Genauso ist es. Sein alter Kumpel Otto Rothnagel scheint in seiner Rolle als suspendierter Hauptkommissar Raukel zur Hochform aufzulaufen. Zunächst kratzte es an Raukels Eitelkeit, dass dieses Wrack, und sei es auch nur stundenweise und in Gegenwart von irgendwelchen Losern und Psycho-Tussen, als Hauptkommissar Erwin Raukel firmieren würde, auch wenn es ihm immer noch als das kleinere Übel erschien. Bei ihrer letzten Begegnung, vor Raukels Urlaub auf den Balearen und zwei Tage vor Beginn des Anti-Aggressions-Trainings, sah der Notnagel jedoch deutlich manierlicher aus als neulich in der Kneipe. Raukels Finanzspritze hatte den alten Zausel dazu bewogen, zum Friseur zu gehen und sich neu einzukleiden. Prompt meinte sein Stellvertreter, nun, da er sich ein wenig aufgebrezelt habe, trete eine frappierende Ähnlichkeit zwischen ihm und Raukel zutage. Er könne geradezu als dessen Double durchgehen.

»Wie Zwillinge, nur unsere Mutter könnte uns unterscheiden«, hat Raukel geantwortet und sich gefragt, ob der Kerl was mit den Augen hat oder komplett übergeschnappt ist oder beides. Die Geister, die ich rief, dachte er mit einem Anflug von Unbehagen. Doch da gab es schon kein Zurück mehr, und bis jetzt macht der Notnagel seinen Job durchaus gut. Er schickt seinem Auftraggeber kurze Berichte und Abhandlungen über die im Kurs behandelten Themen und hält ihn über besondere Vorkommnisse während der Lektionen auf dem Laufenden, sodass das Original gewappnet ist, sollte ihn eines Tages jemand auf die Kurse ansprechen. Doch abgesehen von Rifkin hatte Raukel seit seinem Rauswurf mit niemandem Kontakt. Wie schnell man vergessen ist, hat er sich noch heute Morgen, bei einem letzten Bad im Hotelpool, gedacht.



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