Das Flüstern der Nordsee by Hannah Husum

Das Flüstern der Nordsee by Hannah Husum

Autor:Hannah Husum [Husum, Hannah]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2023-04-27T21:00:00+00:00


Eine halbe Stunde später lag er im Kofferraum, statt auf dem Beifahrersitz zu sitzen, und wartete, bis Merles Passat zum Stehen kam.

»Ja, was ist denn, kleiner Freund?«, fragte er in die Dunkelheit hinein, als es an seiner Brust raschelte. Ein sehr dünner Lichtstreifen drang durch die nicht ganz verschlossene Kofferraumklappe und ließ Blablaquatschis Augen leuchten wie Saphire im Mondlicht.

Ein Glucksen antwortete ihm, gefolgt von einem Quietschen, das an einen Delphin erinnerte. Sein Frettchen dotzte mit seinem kleinen Köpfchen gegen sein Kinn und zeigte seine Zuneigung, indem es sich daran rieb und sich zwischen seinen Händen auf seinem Hals einrollte. Gabriel tastete nach dem winzigen Halsband und dem AirTag-GPS-Sender an der Vorderseite, der kaum größer war als eine Münze. Das kleine Gerät war vermutlich Schokis wichtigster Beitrag der letzten Jahre zu ihrem Team gewesen, da ihr Kollege auf vier Pfoten sich seither nicht mehr verstecken konnte und überall ortbar war.

»Keine Schlafenszeit, kleiner Freund. Wir haben Arbeit vor uns«, flüsterte er.

»Blablablablablablabla«, ertönte die Antwort.

»Du bist wirklich ein merkwürdiger kleiner Kerl. Aber jetzt pst.« Gabriel legte sich einen Finger vor den Mund und Blablaquatschi reckte aufmerksam den Kopf nach oben, nachdem er sich entrollt und aufgerichtet hatte.

Durch den Kofferraum konnte er gedämpfte Stimmen hören.

»Frau Kommissarin!«

»Entschuldigen Sie bitte, Frau Mattes, aber ich habe noch ein paar Fragen. Nicht zu Ihrem Mann, keine Sorge. Es wird auch ganz schnell gehen«, sagte Merle. Der Sturm trug immer wieder Wortfetzen davon, doch sein Geist füllte die Lücken.

»Aber ich habe Ihnen doch schon alles gesagt.«

»Ich wollte allein mit Ihnen sprechen, von Frau zu Frau.«

Einen Moment lang erklang nur das Heulen des Windes und das Rauschen der Bäume, dann hörte er die Haustür ins Schloss springen.

»Los geht’s, Kleiner«, sagte Gabriel und schob Blablaquatschi zurück in seine Jacke. Als er die Kofferraumklappe nach oben drückte, achtete er darauf, dass sich die Laderaumabdeckung über ihm nicht löste, und stieg hinaus auf die Einfahrt.

Das Frettchen steckte sein Köpfchen aus seinem Revers, sah sich mit zuckenden Bewegungen um, quiekte und versteckte sich dann wieder.

»Kann ich verstehen, Kumpel, kein schönes Wetter.« Er sah die Straße nach rechts und links hinunter, doch es waren weder Autos noch Fußgänger zu sehen. Die meisten Inselbewohner waren vermutlich zu Hause und gingen nicht vor die Tür, wenn es nicht absolut notwendig war. Als Nächstes spähte er um das Heck des Passats herum zum Hauseingang des Ehepaars Mattes und lief dann geduckt zu dem Fenster links davon, das zum Büro gehörte. Jetzt erst zog er sich Handschuhe über.

Wie zu erwarten, war das Fenster gegen den Sturm verschlossen. Er zückte seinen großen Schlitzschraubenzieher. Blablaquatschis Köpfchen zuckte aus der Jacke und er griff mit seinen kleinen Klauen nach dem glänzenden Metall, um daran zu schnuppern.

»Nicht jetzt!«, zischte Gabriel und steckte den Schraubenzieher kräftig zwischen Rahmen und Fenster, bis er die Verschlussstellen erwischt hatte. Dann hebelte er die Köpfe aus den Fassungen. Erst an der Seite, dann unten, bis das Fenster nach innen aufglitt. Es dauerte nicht länger als zwanzig Sekunden. Rasch langte er hinein, um es aufzuhalten, bevor irgendwas vom Schreibtisch gefegt wurde.



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