Die Eisheilige by Mischke Susanne

Die Eisheilige by Mischke Susanne

Autor:Mischke, Susanne [Mischke, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783827078537
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 2016-03-02T00:00:00+00:00


4

MARIA TRÄGT EINEN NACHTBLAUEN KIMONO, auf dem sich feuerspeiende Drachen recken, und ihr Lächeln wirkt bemüht. Sie erinnert Axel an Schneewittchen im Sarg: wunderschön, aber irgendwie kalt.

»Kommen Sie rein«, tönt Karins Stimme von drinnen. Sie erwartet ihn auf dem Sofa, in einer weißen Trainingshose und einer putzlappenfarbenen Wolljacke über einem figurfeindlichen T-Shirt in den ausgewaschenen italienischen Landesfarben, das die Aufschrift Lavazza trägt. Soll er ihren legeren Look als ein Zeichen der Mißachtung seiner Person oder als Signal einer gewissen Vertrautheit deuten? ›Axel, Axel‹, ermahnt er sich, ›als ob das jetzt nicht scheißegal wäre!‹

Auf dem niedrigen Tisch steht eine Kanne mit heißem Tee, der nach Orangen und Zimt duftet. Axel bekommt Tee in einer Schale ohne Henkel und einen Sitzplatz angeboten. Dank einer chemischen Keule aus der Apotheke fühlt er sich im Augenblick einigermaßen gesund.

»Blutorange«, sagt Maria, als sie ihm eingießt.

Die Altbauwohnung in der Liebfrauenstraße ist sparsam und in einer gelungenen Kombination aus alt und modern eingerichtet. Kein Vergleich zu der kruden Mischung aus Gelsenkirchener Barock und spätem Ikea in Frau Behnkes Dachwohnung. Es finden sich keine wertvollen Antiquitäten wie in der Kanzlei, dafür noch mehr Bilder von der Art, wie sie dort im Flur hängen: verträumte, verspielte Szenen vor einem Himmel in übermächtigem Blau. Karin hat seine Blicke verfolgt: »Ein unglaublich vielseitiges Blau, nicht wahr? Es läßt einen fast nicht mehr los.«

Wie ihre Augen, denkt Axel und sagt: »Der Koslowski ist wohl Ihr Lieblingsmaler?«

»Die Koslowski. Eine Malerin aus der Gegend.«

Das hätte er sich eigentlich denken können.

»Immer wenn ich Geld von einem unangenehmen Mandanten für einen Fall bekomme, den ich eigentlich lieber abgelehnt hätte, dann kaufe ich mir ein Koslowski-Bild. So verwandle ich schmutziges Geld in Kunst – davon erhoffe ich mir Absolution.«

»Ein minder schwerer Fall von Geldwäsche würde ich sagen.«

Karin beendet das Geplänkel mit der Aufforderung: »Lassen Sie uns über Sophie Kamprath reden.«

Er wirft einen zögernden Blick auf Maria, die sich neben Karin auf das Sofa drapiert hat und eine ihrer langen Haarsträhnen zwirbelt.

»Sie können ruhig offen sprechen, Maria ist absolut verschwiegen«, erklärt Karin. »Ich diskutiere meine besonderen Fälle immer mit ihr durch. Wenn Juristen unter sich sind, kann eine Prise gesunder Menschenverstand nicht schaden.«

Axel nickt und lächelt Maria unsicher zu. Sie sieht ihn an, doch das bleiche Gesicht mit den Tollkirschenaugen bleibt ausdruckslos wie ein Teller. Dann eben nicht. Er wendet sich an Karin. »Halten Sie es für möglich, daß Sophie ihren Mann auf irgendeine Weise ermordet hat?«

»Formulieren wir es anders herum: Ich denke, daß gewisse Männer jede Frau so weit bringen können.«

»War Rudolf Kamprath so ein Mann?«

»Meiner Ansicht nach schon.«

»Woran ist Ihre Ehe mit ihm gescheitert?«

Karin nimmt einen großen Schluck Tee. Axel ist dankbar, daß Maria offenbar nicht über jene Talente verfügt, die man Sophie Kamprath nachsagt, sonst wäre er augenblicklich entseelt vom Sessel geglitten.

»Haben Sie das von Sophie?«

»Ja. Sie nahm wohl an, ich wüßte Bescheid.« Der unausgesprochene Vorwurf hinter diesen Worten bleibt Karin nicht verborgen.

»Ich finde, wir sollten beim Thema bleiben«, mischt sich Maria ein, und ihrer spröden Stimme ist der verhaltene Ärger anzumerken.

»Wir sind beim Thema«, versetzt Axel patzig.



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