Meuchelbrut by Dorothea Böhme

Meuchelbrut by Dorothea Böhme

Autor:Dorothea Böhme
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
veröffentlicht: 2014-05-28T22:00:00+00:00


27. Die Pflege

Auf allen vieren kroch Glenn durch den Garten. Es war gar nicht so einfach gewesen, Michael unbemerkt bis in die Stadt und zurück zu folgen. Zweimal war ein Auto an ihnen vorbeigefahren und Glenn hatte sich erst im letzten Moment ins Gras schmeißen können. Der Einbruch selbst war dermaßen unspektakulär, dass Glenn fast ein bisschen enttäuscht war. Michael hatte sich irgendein Haus ausgesucht, einen Stein durch ein Fenster geworfen und, als die Alarmanlage losging, das Weite gesucht. Danach hatte Glenn einsehen müssen, dass er trotz Gymnastikübungen nicht so fit war wie ein 21-Jähriger. Irgendwo auf der Landstraße zwischen Lendnitz und dem Gutshaus hatte er eine Pause gebraucht und Michael aus den Augen verloren. Und dabei offenbar Entscheidendes verpasst. Denn als er nach Hause kam, war das ganze Haus hell erleuchtet, und er konnte von der Eingangstür die aufgeregten Stimmen von Mutter und Frieda hören. Sie durften ihn auf keinen Fall ohne seinen Rollstuhl entdecken. Also nahm er den Weg durch den Garten. Die Versammlung befand sich anscheinend im Wohnzimmer. Glenn verkroch sich hinter dem Rhododendron. Von hier aus konnte er beobachten, was geschah, ohne selbst gesehen zu werden, und durch die schräg gestellte Terrassentür verstand er, was gesagt wurde.

»Der Einbrecher! Der Einbrecher ist zurück!«, schrie Tante Martha und fiel in einen Sessel.

»Keine Sorge, Martha. Das ist nur der Gerichtsmediziner«, beruhigte Mutter und tätschelte ihr die Hand. Glenn unterdrückte einen Fluch. Wie zum Teufel war der Gerichtsmediziner auf seine Wohnzimmercouch gekommen?

»Hier, trink einen Schluck, dann geht’s dir besser.« Mutter stellte Tante Martha einen Likör hin, stürzte selbst einen hinunter und wandte sich dann Frieda zu, die dem Leichendoktor den Puls fühlte.

»Der wird wieder«, verkündete sie nach einem Blick auf die Uhr.

»Vielleicht sollten wir ihn etwas bequemer lagern«, schlug Mutter vor. »Da kann er sich dann ordentlich ausschlafen.« In ihrer Großzügigkeit stellte sie ihr eigenes Bett zur Verfügung. Glenn zog angewidert die Lippen hoch. Sie hatte vermutlich schon das Szenario vor Augen, wie ihr Patient morgens erwachte, bei durch die Vorhänge blitzendem Sonnenschein verwirrt um sich sah, Mutter erblickte und in Liebe zu ihr entbrannte. Er schüttelte sich.

»Wenn uns Michael schon einen bewusstlosen Mann anschleppt, sollten wir das Beste daraus machen«, fügte Mutter fröhlich hinzu und kommandierte Michael dazu ab, den Gerichtsmediziner in ihr Zimmer ins obere Stockwerk zu tragen. Wenn Glenn damit nicht seine Tarnung aufgegeben hätte, wäre er ins Wohnzimmer gestürzt und hätte Michael erwürgt. Wie kam der dumme Junge dazu, den Mann von der Straße aufzulesen und ins Haus zu bringen? Es war schlimm genug, dass Glenn ihn aus Versehen niedergeschlagen hatte. Jetzt könnte Billinger die beiden Ereignisse sicherlich in Verbindung bringen.

Zumindest konnte Glenn die allgemeine Unruhe dazu nutzen, unbemerkt ins Haus zu schlüpfen. Während sich alle in Mutters Zimmer zu schaffen machten, schlich er in sein eigenes, zog sich seinen Pyjama an und setzte sich in den Rollstuhl. Damit fuhr er durch den Flur zu Mutters Zimmer und linste um die Ecke. Michael hatte den Gerichtsmediziner in Mutters riesiges Himmelbett gelegt. Sie drapierte gerade ihre rote Seidenbettwäsche um ihn herum.



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