Meine Schwester, die Hummelkoenigin by Patrizia Zannini

Meine Schwester, die Hummelkoenigin by Patrizia Zannini

Autor:Patrizia Zannini [Zannini, Patrizia]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426427293
Herausgeber: Feelings
veröffentlicht: 2014-09-16T22:00:00+00:00


In grellen Neonfarben blinkten mir die Lettern Harbor Pub entgegen, eine kleine Hafenbar, eine Spelunke, wie Mutter dazu gesagt hätte. Hier kannte mich sicher niemand. Ich ging die drei hölzernen Stufen nach oben. Auch hier war es übervoll. Aber am Tresen entdeckte ich einen freien Barhocker. Hier tummelten sich alle möglichen Gestalten. Hummerfischer und Touristen hatten volle oder leere Gläser vor sich stehen, und das Gemurmel hörte sich an wie in einem Bienenstock.

»Hi. Was kann ich dir bringen?«, fragte der Typ hinter dem Tresen, der auffallend dunkle Ringe unter den Augen hatte.

Ich schaute mich um, um zu sehen, was die anderen tranken. »Ich nehme ein Bier.«

»Was für eins? Wir haben …«, wollte er aufzählen, aber ich unterbrach ihn.

»Bring mir einfach irgendeins.«

Er schaute mich skeptisch an.

»Das, das dir am besten schmeckt«, konkretisierte ich meine Bestellung.

»Okay, Lady.« Er drehte sich zur Seite und zapfte ein frisches Bier.

Ich hatte Bier nie gemocht, aber das war mir im Moment vollkommen egal, ich wollte einfach nur irgendetwas trinken. Er stellte eine Schale mit Erdnüssen neben das Glas, die ich, obwohl ich Hunger hatte, wieder zurückschob.

»Nur wenn du mir frische aufmachst«, sagte ich.

»Du bist ja lustig. Aber von mir aus. Er holte unter dem Tresen eine frische Packung hervor, öffnete sie vor meinen Augen und kippte sie in eine neue Schale.

»Und verrätst du mir auch, warum?«, fragte er mich wirklich daran interessiert.

»Weißt du, wie viele Bakterien und Keime sich in dieser Schale tummeln? Hast du eine Vorstellung davon, wie viele hier schon ihre Finger drinhatten? Es ist erwiesen, dass sich jeder Zehnte nach der Toilette nicht die Hände wäscht. Ich muss dir also nicht sagen, welche Keime sich vor allem darin befinden?«

Er schüttelte den Kopf und lachte heiser. »Mir hast du das nun auch verdorben.«

Das Bier schmeckte mir sogar. Es war frisch und kühl. Ich sah mich um und fand mich hier herrlich versteckt. Ich kannte niemanden. Und niemandem fiel ich auf. Einige Touristen hatten bereits zu viel Bier getrunken, was man am Lärmpegel feststellen konnte. Ich richtete meinen Blick auf das große Gemälde, das vor mir, hinter unzähligen Flaschen unterschiedlichen Inhalts, hing. Es zeigte ein altes Hummerboot beladen mit hölzernen Reusen, wie sie früher zum Hummerfangen verwendet wurden. Es war ein ausgesprochen gelungenes, farbenfrohes Ölgemälde, das nicht zur übrigen Ausstattung des Pubs passte, die eher schäbig und heruntergekommen war. Wahrscheinlich hatte ein Künstler damit seine offene Rechnung beglichen.

Nach dem Bier, das ich ziemlich schnell getrunken hatte – viel zu schnell für meine Verhältnisse –, bestellte ich eine Bloody Mary, in der definitiv zu wenig Tomatensaft und zu viel Wodka war. Ich spürte bereits den Alkohol, der mir zu Kopf gestiegen war. Es fühlte sich gut an.

»Na, auch alleine hier?« Der Mann neben mir zog seinen Barhocker näher an meinen heran.

»Wie man sehen kann.«

Er stellte sich vor, und bald schon wusste ich seine halbe Lebensgeschichte. Er hieß Tyler und kam aus Portland, wo er als Immobilienmakler arbeitete. Er sah ganz nett aus, wie ich fand, obwohl ich nicht mehr ganz nüchtern war und nicht wirklich sagen konnte, wie er überhaupt aussah.



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