Meerblick inklusive by Rosendahl Anna

Autor:Rosendahl, Anna [Rosendahl, Anna]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Heyne TB
veröffentlicht: 2017-02-01T09:35:10+00:00

Das Café Schult liegt im Zentrum von Norddorf, gleich hinter dem Strandkorb, in dem ich gestern Abend meine Pizza gegessen habe. Im Verkaufsraum herrscht reger Betrieb. Ich geselle mich in die Reihe der wartenden Kunden, die interessiert die Kuchentheke begutachten. Bei dem Anblick der verschiedenen Köstlichkeiten läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich kann mich nicht entscheiden, doch mein Blick bleibt bei der Friesentorte hängen. Von ihr hat Suzanna geschwärmt. Sie sieht mächtig aus und scheint nur aus Sahne zu bestehen. Und die Stücke sind riesig.

Als eine Frau neben mir gleich vier Portionen davon zum Mitnehmen bestellt, frage ich: »Ist sie so lecker?«

Sie lacht. »Die sind natürlich nicht alle für mich. Aber ja, sie ist wirklich sehr gut. Die Kombination aus Sahne, Pflaumenmus und krossem Blätterteig ist einfach ein Gedicht.«

»Trauen Sie sich!«, sagt die Bedienung über die Theke hinweg zu mir, als ich an der Reihe bin.

»Okay!« Mein Blick schweift noch einmal kurz über die Kuchenauslage. »Und dazu nehme ich noch ein Stück Butterkuchen.« Der sieht ganz genauso aus wie der von Oma, saftig und luftig zugleich und unter den zuckrigen Mandeln eine Puddingcreme. Das ist ganz sicher viel zu viel, aber ich kann einfach nicht widerstehen.

»Zum Mitnehmen oder hier essen? Draußen sind alle Plätze besetzt, aber drinnen haben Sie bestimmt Glück.«

»Ich bleib gerne hier.«

»Schön!« Sie drückt mir einen kleinen Abschnitt in die Hand. »Den geben Sie ab, wenn Sie das Getränk bestellen. Der Kuchen wird dann zum Tisch gebracht.«

»Danke.«

Ich gehe durch die Tür, auf der in geschwungenen Buchstaben Café steht, und bin überrascht. Mit so einem großen Raum habe ich nicht gerechnet. Fast alle Tische sind besetzt. Ich entdecke nur einen einzigen freien am Ende des Raumes und steuere geradewegs darauf zu. Plötzlich springt ein Mann auf und winkt mir freudig zu. Diesmal hat er keine Möwenfeder im Haar stecken, aber ich erkenne ihn trotzdem sofort. Es ist Walter, der Feuerschamane. Er trägt schwarze Lederhosen, darüber eine weiße Tunika. Im Ausschnitt baumelt der schwarze Stein an einem Lederhalsband. Mit seiner offenen, langen grauen Haarmähne wirkt er wie eine Mischung aus Späthippie und Altrocker. Nur die grellgelben Turnschuhe passen wieder so gar nicht zu dem restlichen Outfit. Aber gerade dieser Kontrast macht ihn besonders.

Walter ist alleine hier, und es ist anscheinend ganz selbstverständlich für ihn, dass ich mich zu ihm setze. Auffordernd zeigt er auf den leeren Stuhl ihm gegenüber.

»Hallo, Meike, setz dich doch zu mir«, sagt er, als ich zu ihm komme.

»Hallo, ja, warum nicht?« Ich lächle ihn an und nehme Platz. Walter kennt meinen Namen sicher von Suzanna. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass wir uns einander vergangene Nacht vorgestellt haben. »Du heißt Walter, nicht wahr?«

»Ja. Mein schamanischer Name ist allerdings Kajika – der, der geräuschlos geht.«

»Das passt! Ich habe dich gestern Nacht absolut nicht gehört, als du plötzlich aufgetaucht bist.«

Die Bedienung erscheint an unserem Tisch. Ich gebe ihr meinen Kuchenzettel und bestelle dazu einen Pott Milchkaffee.

»Wie möchtest du denn genannt werden?«, frage ich.

»Das bleibt dir überlassen, beide Namen gehören gleichermaßen zu mir.«

»Dann bleibe ich bei Walter, wenn es dir nichts ausmacht.

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