Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals by Erica Spindler

Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals by Erica Spindler

Autor:Erica Spindler [Spindler, Erica]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Herausgeber: Mira Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2012-08-14T15:44:29+00:00


21. KAPITEL

In ihrem Landhaus tief in der gebirgigen Gegend der Auvergne warf Ginnie Laperousse eine Werbung fort, in der Sofas zum halben Preis angeboten wurden, und begann, die Post durchzusehen, die sich in den letzten drei Wochen angesammelt hatte.

Das war eines der Probleme, die mit einem Urlaub einhergingen. Man musste sich nicht nur wieder an die tägliche Routine gewöhnen, sondern brauchte mindestens genauso lang, um die Post zu sichten.

Auf dem Stapel, der noch gelesen werden musste, zog sie eine Ausgabe des wöchentlich erscheinenden Paris Match heraus und begann sie durchzublättern, während sie in Gedanken noch im Urlaub war. Sie dachte zurück an die herrliche Zeit, die sie und Hubert in Venedig verbracht hatten. Sie waren Hand in Hand wie zwei Frischverliebte durch die Straßen dieser zauberhaften Stadt spaziert, hatten die faszinierenden Ansichten genossen, waren mit Gondeln gefahren und hatten in kleinen, unbekannten Trattorias gegessen, in denen Hubert Gott sei Dank nicht erkannt worden war.

Sie musste lachen, während sie eine Seite umblätterte. Sie hatten sich sogar unter der Seufzerbrücke geküsst und den Gondoliere dazu veranlasst, „O Sole Mio“ zu schmettern.

Während die Erinnerung sie lächeln ließ, drang eine Pianoadaption von Beethovens Fünfter Symphonie aus dem Musikzimmer an ihr Ohr und erfüllte den Salon mit den reichen, kraftvollen Klängen von Huberts gewaltigem Talent.

Ginnie legte das Magazin einen Moment lang aus der Hand, um seinem Klavierspiel zu lauschen. Mit achtundsechzig Jahren und einer fünfunddreißig Jahre umspannenden Karriere als Konzertpianist hatte er nie besser geklungen, und nie hatte er mit mehr Inbrunst gespielt, oder wie ein Kritiker es beschrieben hatte: mit mehr Herz. Kein Wunder, dass sich die größten Konzerthallen Europas um ihn rissen und er Abend für Abend Standing Ovations erhielt.

Ginnie nahm das Magazin wieder in die Hand und blätterte gedankenverloren weiter. Sie war froh, dass Huberts nächste Tournee erst im November beginnen würde. Sie hatte ihn lieber bei sich zu Hause, um ihn am Nachmittag mit einem Tee zu überraschen – und mit den sündigen Hörnchen, einer Spezialität der Auvergne, nach der sie süchtig geworden war.

Sie sah auf die Uhr und bemerkte, dass es fast Zeit war. Auch Hubert musste es gemerkt haben, da er zu spielen aufgehört hatte. Gerade wollte sie ihre Haushälterin Mademoiselle Desforges rufen, um sie wissen zu lassen, dass sie bereit waren, da fiel ihr Blick auf die aufgeschlagene Seite der Zeitschrift. Im gleichen Moment schien ihr das Blut in den Adern zu gefrieren.

Das Gesicht, das sie von einem der Fotos anstarrte, war das einer hübschen jungen Frau, die einer gut dreißig Jahre jüngeren Ginnie so ähnlich gesehen hätte, dass sie ihre Zwillingsschwester hätte sein können. „Oh, mein Gott!“

Bevor Ginnie nach ihrem Mann rufen konnte, kam der schon mit besorgtem Gesichtsausdruck aus dem Musikzimmer geeilt. Er war ein großer, gut aussehender Mann mit silbergrauem Haar, einem schmalen schwarzen Schnäuzer und eleganten, aristokratischen Gesichtszügen.

„Chérie, was ist los?“ fragte er mit seinem von einem leichten französischen Akzent geprägten Englisch. „Du hast geschrien, hast du dich verletzt?“ Besorgt setzte er sich neben sie und nahm ihre Hand.

Sie schüttelte den Kopf und gab ihm das Magazin.



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