Luzifers Tochter: Die Geschichte der Gottgeweihten Anna O - Teil 2 - (German Edition) by Wolfram Klingsor

Luzifers Tochter: Die Geschichte der Gottgeweihten Anna O - Teil 2 - (German Edition) by Wolfram Klingsor

Autor:Wolfram Klingsor [Klingsor, Wolfram]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-21T04:00:00+00:00


Etienne gegenüber war Anna verunsichert und gespalten. Vom ersten Augenblick an, als sie ihm in Bernkastel begegnet war, war sie von seiner Ausstrahlung fasziniert. Sein schulterlanges blondes Haar und seine durchdringenden blauen Augen hatten sie sofort in ihren Bann gezogen. Etienne seinerseits ließ es an Annäherungsversuchen ihr gegenüber nicht mangeln. Er suchte Annas Nähe, wann immer sich ihm die Gelegenheit bot. Er versuchte, beim gemeinsamen Essen einen Blick von ihr zu erhaschen, legte kameradschaftlich seine Hand auf ihre Schulter, wenn sie geschäftliche Dinge besprachen oder berührte sie flüchtig, wie unbeabsichtigt, wenn er ihr den Umgang mit Pferden und Geschirr erklärte. Sein Werben blieb Anna nicht verborgen. Manchmal erwiderte sie seine Blicke, schaute ihm tief in die Augen, um sich gleich wieder scheu wie ein Reh von ihm abzuwenden.

Eines Tages begegneten sie sich auf dem Feldweg, als Anna von der Weide zurückkehrte. Sie hatte die Schafe gefüttert und Etienne hatte sie am Gatter abgepasst.

„Bonjour, Anna. Wie geht es Euch; habt Ihr nach den Lämmern geschaut?“

„Bonjour, Etienne. Ja, sind alle wohlauf. Und was führt Euch hierher? Habt Ihr einen Spaziergang gemacht?“

„Als wüsstet Ihr nicht, was mich hierher führt, Anna. Ihr habt doch selber schon bemerkt, wie es um uns beide steht, oder nicht?“

„So, habe ich das?“, tat Anna überrascht. „Ich wüsste nicht, wovon Ihr redet, Etienne. Wirklich nicht.“

„Ach Anna, tut doch nicht so unwissend. Ich liebe Euch. Ihr müsst das doch bemerkt haben. Tag und Nacht kann ich an nichts anderes mehr denken; sehe ich Euer Gesicht vor mir; stelle ich mir vor, Euch in meinen Armen zu halten, Euren Duft einzuatmen, Euch zu küssen. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, Anna. Wie soll das denn weiter gehen?“

Anna schaute ihm mit ausdruckslosem Blick in die Augen. Und schwieg.

„Warum sagt Ihr nichts, Anna? Wieso schaut Ihr mich so merkwürdig an?“

Anna kehrte auf dem Absatz um und ließ Etienne stehen. Mit raschen Schritten eilte sie zum Hof zurück.

* * *



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