Luzifers Tochter: Die Geschichte der Gottgeweihten Anna O - Teil 1 - (German Edition) by Klingsor Wolfram

Luzifers Tochter: Die Geschichte der Gottgeweihten Anna O - Teil 1 - (German Edition) by Klingsor Wolfram

Autor:Klingsor, Wolfram [Klingsor, Wolfram]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-21T04:00:00+00:00


Der Herr ist mit Dir

Mai 1140

Hochgeschätzte, verehrungswürdige Schwester Anna!

Wir, Laurent, durch Gottes Gnaden Erzbischof von Trier und Legat des Apostolischen Stuhles entbieten Euch den Frieden und die Freude im Herrn.

Wie Uns beim Besuch Eurer ehrwürdigen Äbtissin Hildegard von der Layen in Trier zu Ohren gekommen ist, habt Ihr seit Eurem Eintritt in die Abtei Marienborn außerordentliche Fähigkeiten auf Eurem Weg als Sanktimoniale bewiesen. Zu Unserer Erbauung ließ Eure Äbtissin verlauten, dass Ihr Euch nicht nur in den Bereichen der Ökonomie und in der Klosterküche, sondern auch in Apotheke und Spital durch hervorragendes Geschick und ausgesprochenen Fleiß ausgezeichnet habt. Ferner, so ließ Uns Schwester Hildegard wissen, verfügt Ihr über einen scharfen Verstand und eine außerordentliche Wissbegierde, welche Euch in die Lage versetzte, in kürzester Zeit die Kunst des Lesens, des Schreibens, das Lateinische und die Regeln der Algebra zu beherrschen. Wir gestehen freimütig, dass Wir Uns über diese Eure Entwicklung geschmeichelt fühlen, wart Ihr doch die Erste einer Reihe junger Frauen niederen Standes, die auf Unseren ausdrücklichen Wunsch als Sanktimoniale in einem Unserer Klöster aufgenommen wurden. Darob bestärkt Uns Eure Entwicklung in der festen Überzeugung, mit Unserer Entscheidung den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, um Unsere Orden wieder zum ursprünglichen Kern der Regula Benedicti zurückzuführen.

Wir haben daher auf Eingebung der göttlichen Güte hin entschieden, Euch in Anerkennung Eurer Leistungen für zwei Jahre nach Trier zu delegieren, um Euch an der hiesigen Domschule in den Fächern der Arithmetik und Geometrie sowie Rhetorik und Grammatik studieren und Euch ferner eine Einführung in die Ökonomie und Jurisprudenz zukommen zu lassen.

Eure Wohnstatt werdet Ihr im Kloster St. Irminen nehmen, wo Euch die Pförtnerin am 01. Juli dieses Jahres zum Mittagsgeläut erwarten wird.

Gegeben zu Trier, den 30. Mai anno 1140 nach Christi Geburt.

Laurent von Sarrebourg, Erzbischof von Trier und Legat des Apostolischen Stuhles.

* * *

Kurz nach Ostern hatte Schwester Hildegard Anna in ihr Amtszimmer bestellt und ihr die Depesche Laurents entgegen gehalten.

„Eine Nachricht für Euch, Schwester Anna. Von Erzbischof Laurent. Baron von Hagelstein hat das Schreiben gestern aus Trier mitgebracht.“

„Für mich? Vom Erzbischof? Ihr beliebt zu scherzen, ehrwürdige Schwester Hildegard.“

„Keineswegs Anna, keineswegs. So lest schon. Ich bin selber sehr gespannt, was der Bischof Euch mitzuteilen hat“, schmunzelte die Äbtissin, so als sei ihr der Inhalt des Briefes nicht schon längst bekannt.

Anna zerbrach das Siegel, rollte das Pergament auseinander und las es stehend vor den Augen ihrer Äbtissin. Die Worte des Erzbischofs verschlugen ihr den Atem.

„Was bedeutet das, Frau Äbtissin?“

„Nun, was soll es schon bedeuten? Es bedeutet, was es bedeutet. Ihr habt es doch gerade gelesen.“

„Ja, aber wieso ich?“

„Erinnert Ihr Euch, als wir uns das erste Mal hier begegnet sind?“, schmunzelte die Äbtissin, „damals hattet Ihr mir die gleiche Frage gestellt, wisst Ihr noch?“

„Ja, ich glaube mich zu erinnern. Und - wie fällt Eure Antwort heute aus?“

„Ich denke, das ist nicht allzu schwer zu erraten, Anna. Oder glaubt Ihr, die ganze Ausbildung, die Ihr hier durchlaufen habt, beruht auf einem Zufall? Jedenfalls scheint Erzbischof Laurent Besonderes mit Euch vor zu haben. Aber ich denke, wir sollten uns in Demut üben und das Schicksal nicht heraus fordern.



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