Like Gravity by Johnson Julie

Like Gravity by Johnson Julie

Autor:Johnson, Julie [Johnson, Julie]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: LYX.digital
veröffentlicht: 2021-07-30T00:00:00+00:00


11

Narzisstisches Arschloch

Als ich auf die Veranda hinaustrat, ließ ich meine kleine Hand sofort in seine größere gleiten. Er stand auf den Stufen, genau wie jede Nacht seit unserer ersten Begegnung – als er mir die Sage von Andromeda erzählt hatte.

Ich suchte seinen Blick, und als ich ihn fand, empfand ich zum ersten Mal an diesem Tag so etwas wie Trost. Er war das Einzige, was das Heim erträglich machte. Wenn er mir Geschichten erzählte oder einfach nur meine Hand hielt und mit mir redete, konnte ich die anderen Mädchen und ihre Gemeinheiten vergessen. Ich konnte den bösen Mann, die Polizisten, das Krankenhaus und sogar Mommy vergessen.

Nicht dass ich sie vergessen wollte. Ich vermisste sie nur so sehr – zu sehr. Aber wenn er mir Geschichten erzählte, konnte ich so tun, als wäre das alles nie passiert. Wenn ich mein Zimmer verließ, weil ein Albtraum mir Angst eingejagt hatte, war er immer da, um dafür zu sorgen, dass ich mich besser fühlte. In diesen Nächten erzählte er mir lustige Geschichten, die mich zum Lachen brachten oder mir mindestens ein Lächeln abrangen, und dann war ich plötzlich keine Waise mehr. Ich war wieder in meinem Prinzessinnenzimmer, umgeben von edlen Rittern und zauberhaften Feen. Ich war in einer phantastischen Welt voller Magie, in der jede Geschichte ein gutes Ende nahm und in der Dinge wie Mord und Tod einfach nicht vorkamen. In der Mommys nicht in den Himmel geholt wurden, obwohl ihre kleinen Mädchen sie brauchten.

»Hi, Brooklyn«, sagte er mit einem kleinen Lächeln in den traurigen Augen.

Ich erwiderte nichts, sondern schaute einfach nur zu ihm hoch. Ich sprach immer noch nicht – nicht mit meiner Pflegemutter, nicht mit den anderen Kindern, nicht einmal mit der Frau, die sich als »Therapeutin« bezeichnete und zweimal die Woche kam, um mich zu besuchen.

Ich wusste, dass sie wollten, dass ich sprach. Manchmal wurden die Erwachsenen wütend auf mich – obwohl sie lächelten, konnte ich die Verdrossenheit in ihren Augen sehen und sie in ihren Stimmen hören, wenn sie mit mir redeten. Die anderen Kinder wurden nicht wütend – sie wurden nur gemein.

Abgesehen von ihm.

Er schrie mich nie an, ärgerte mich nicht und versuchte auch nicht, mich zum Reden zu bringen. Er ließ mich einfach seinen Geschichten lauschen, seine Hand halten und vergessen. Manchmal saßen wir auch einfach nur in der Dunkelheit und sahen gemeinsam in den Garten hinaus oder zum Himmel hinauf.

»Brooklyn, schau mal«, flüsterte er und deutete in die Dunkelheit auf das hohe Gras am Ende der Stufen.

Ich schaute ihn fragend an, denn ich konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.

»Glühwürmchen.«

Ich drehte mich wieder herum und starrte in dem Versuch, einen Blick auf sie zu erhaschen, in die Nacht hinaus. Ich hatte erst einmal welche gesehen, am Anfang des Sommers. Mommy und ich hatten an einem Abend ein Picknick in ihrem Lieblingspark veranstaltet, und als die Sonne untergegangen war, hatten wir Hunderte leuchtender Insekten gesehen, die überall um uns herumgeflogen waren. Mommy hatte gelacht und gesagt, dass sie in Wahrheit vielleicht Feen waren, so wie Glöckchen, und wenn etwas von ihrem Feenstaub auf uns fallen würde, könnten wir ebenfalls davonfliegen.



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