Liebe nur mit Goethe (German Edition) by Jessica Preiss

Autor:Jessica Preiss [Preiss, Jessica]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-26T22:00:00+00:00

9. Von Mäusen und Ebooks

„Der Wunsch, etwas zu machen, ist eine Vorahnung der Fähigkeiten, die man hat.“ (JWG)

Zwei Tage später widmeten wir uns in Gran Canaria wieder unserer bewährten Routine. Dave schrieb, inzwischen auf der Terrasse, und ich saß daneben und passte auf, dass er nichts bei Goethe klaute und die Finger auf den Tasten behielt. Über London hatten wir nicht mehr viel gesprochen. Aber ich war noch immer etwas verlegen und zugleich geschmeichelt, weil er mich so heroisch verteidigt hatte.

Es war schon früher Abend und wir hatten vom Wasser bereits zum Mojito gewechselt. Wie immer ließ Daves Konzentration nach etwa drei Stunden nach. Danach konnte man die Uhr stellen. Aber heute tippte er frustriert weiter. Ich griff also ein.

„Hey, manchmal läuft`s einfach nicht … Reicht doch, wenn Sie heute fünf Seiten geschafft haben. Den dritten Akt kriegen wir auch noch hin.“

Damit erwähnte ich unser Sorgenkind. Da wir alles umkonzipiert hatten, musste der ganze Schluss neu geschrieben werden. Und ich merkte langsam, dass Dave sich davor ein bisschen drückte. Aber noch hatten wir Zeit.

„Bei mir läuft`s immer. Ich brauch nur den richtigen Dreh, dann finde ich schon den Weg.“

„Ach, sagte die Maus, die Welt wird immer enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe. Du musst nur die Laufrichtung ändern, sagte die Katze und fraß sie.“

Dave schenkte mir einen unbezahlbaren Blick. Ich hatte seine Lage auf den Punkt gebracht.

„Hören Sie auf, Kafka zu zitieren. Der macht mich depressiv.“

Aufmunternd lächelte ich ihn an. Ich meinte es ernst. Es gab jetzt nur einen Weg, den wir gehen konnten.

„Dann schreiben Sie einfach weiter. Auch wenn es Ihnen nicht gefällt. Ein Weg entsteht, wenn man ihn geht.“

Dave stöhnte nur und rieb sich mit der flachen Hand über das Gesicht. Sehnsuchtsvoll starrte er in den Himmel.

„Quatsch“, sagte er. „Welche Maus hört denn schon auf eine Katze und mit Kalendersprüchen kommen wir auch nicht weiter.“

„Das war zweimal Kafka“, erwiderte ich trocken.

Dave reagierte gar nicht, sondern blinzelte nur an mir vorbei.

„Guter Rat hilft immer demjenigen, der ihn erteilt. Haben Sie auch ein paar eigene Ideen?“, fragte er abwesend.

Ich lachte heiser.

„Das fragt der Richtige.“

Dave warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und schnappte sich sein Ipad. Der Mann konnte sich wirklich nicht lange konzentrieren. Ziellos wischte er auf dem Tablett hin und her und schlürfte dabei seinen Drink.

„Das Internet wird Ihnen jetzt auch nicht weiterhelfen.“

Aber er hörte gar nicht auf mich und vertiefte sich in irgendeinen Artikel. Ich lehnte mich zurück und dachte über die Figur der Julia nach. Irgendwie fehlte ihr etwas. In Gedanken ging ich alle Tricks und Tipps, die ich gelernt hatte, durch.

Brauchte sie vielleicht einen inneren Konflikt? Hatten wir an ein Trauma gedacht? Vielleicht sollten wir eine traurige Backstory entwickeln? Aber jetzt, wo ich all diese

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