Leonardo DiCaprio trifft keine Schuld by Silvia Aeschbach

Leonardo DiCaprio trifft keine Schuld by Silvia Aeschbach

Autor:Silvia Aeschbach
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Worterseh Verlag
veröffentlicht: 2014-06-08T22:00:00+00:00


Medusa lässt grüßen

Hektisch suchte ich die Moderationskarten zusammen. Die Live-Sendung sollte in zehn Minuten beginnen, und ich hatte noch keine Ahnung, mit welcher Frage ich ins Interview einsteigen wollte. Einen Profi hätte das kalt gelassen, aber ich war erst seit wenigen Monaten beim Schweizer Fernsehen und saß, sozusagen ein Frischling, als Moderatorin auf dem Präsentierteller. In der Sendung, einer Art Astrologie-Talk, wurden Prominente mit ihrem Horoskop konfrontiert, das die beiden Astrologen Monica Kissling und Niklaus Rutkowsky aufgrund von Geburtsdaten »im Blindflug« geschrieben hatten.

Der heutige Gast, der wohl bekannteste Comedian und Satiriker der Schweiz, war als wortgewandter Zyniker bekannt. »Der hackt dich mit seinem Mundwerk in Stücke und frisst dich«, flachste ein Moderationskollege, als ich an ihm vorbei zur Toilette ging. Ich hätte ihm am liebsten eine geknallt.

Warum tue ich mir das bloß an? Wie immer vor einer Sendung stand ich vor dem großen Spiegel in der Toilette und musterte mein Erscheinungsbild. Was ich sah, gefiel mir nicht. Das Gesicht war blass unter der Kriegsbemalung, die mir die Maskenbildnerin aufgetragen hatte. Kleine Schweißperlen glänzten auf der Stirn. Ich zupfte ein letztes Mal am ondulierten Haar herum, das vom Haarspray zusammenklebte, an den großen goldenen Ohrringen und dem bunten Halstuch, dann raffte ich mich auf. Zurück im Fernsehstudio, nahm ich Platz auf dem Sofa und begrüßte den Studiogast, der inzwischen eingetroffen war. Wir wurden beide mit Mikrofonen ausgerüstet, und ich bekam noch einen Knopf ins Ohr, damit ich die Regieanweisungen hörte. In letzter Minute war mir zum Glück noch eine Anfangsmoderation eingefallen. Das Signet der Sendung wurde eingespielt, der Aufnahmeleiter sprach den üblichen Countdown: »Fünf, vier, drei, zwei, eins und los!«

Ein halbes Jahr zuvor hatte ich noch keine Ahnung gehabt, dass ich einmal so im Rampenlicht stehen würde. Mir gefiel der Job als Gesellschafts-Redaktorin bei einem großen People-Magazin. Doch dann wies mich eine Kollegin darauf hin, dass das Schweizer Fernsehen neue Talente suche. Ich beschloss, mich zu bewerben; dies mehr aus Neugierde denn aus richtigem Interesse heraus. Ich wollte einfach testen, wie hoch mein Marktwert war. Zu meiner Überraschung wurde ich in die letzte Casting-Runde eingeladen.

Kurz zusammengefasst: Sie verlief grauenhaft. Kaum waren die Kameras auf mich gerichtet, packte mich die Panik. Ich begann zu schwitzen, mein Herz raste, mein Mund wurde trocken, und ich brachte fast kein Wort mehr heraus.

Die Scheinwerfer waren so verdammt heiß, die Jury saß so nah, und aus dem linken Augenwinkel heraus konnte ich mein Gesicht auf einer riesigen Leinwand sehen. Beim Ablesen der News vom Prompter verhaspelte ich mich. Das Interview, das ich mit einem weiteren Bewerber führen sollte, brachte mich völlig aus dem Konzept: Ich stotterte zusammenhangslose Fragen herunter. Als die Lichter der Kamera endlich verlöschten, war ich klatschnass und überglücklich, dass alles vorbei war. Ich wusste mit Sicherheit: Wenn ich eines im Leben nicht machen wollte, dann im Fernsehen eine Sendung moderieren.

Schnell packte ich meinen Kram zusammen, bedankte mich bei der Crew und der Jury und stürmte im Sauseschritt aus dem Studio. Tschüss und auf Nimmerwiedersehen!

Als drei Tage später jemand vom Fernsehen anrief, blieb ich gelassen.



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