Landleben - Von einer die raus zog by Hilal Sezgin

Landleben - Von einer die raus zog by Hilal Sezgin

Autor:Hilal Sezgin
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783832185558
Herausgeber: DuMont Buchverlag
veröffentlicht: 2011-09-15T16:34:47+00:00


DAS REH, DAS DIE

ABENDNACHRICHTEN LIEBT

Den Hühnern wuchsen die Federn nach, ihre Kämme färbten sich leuchtend rot, und sie flitzten in meinem Garten herum, als ob sie nie anders gelebt hätten. Tatsächlich hatten sie es ja noch relativ gut gehabt – sie gehörten zu den »glücklichen« Hühnern, die nicht in Käfigen oder Bodenhaltung hatten leben müssen. Die artgerechte Haltung, die das EU-Biosiegel den um das Wohl der Tiere besorgten Kunden garantiert, bedeutet für die Hühner jener Farm deutlich mehr Auslauf und weniger Stress als eine Anlage ohne Siegel. Aber ist das wirklich artgerecht? Ab welchem Grad der Verbesserung gegenüber einer üblichen, grausamen Praxis ist etwas bereits gut genug?

Während meines Philosophiestudiums hatte ich mich viel mit Moralphilosophie und einer Unterdisziplin, der Tierethik, beschäftigt. Es handelt sich um eine relativ junge Disziplin, die danach fragt, inwieweit wir eigentlich verpflichtet sind, nicht nur Menschen, sondern auch Tiere moralisch zu berücksichtigen. Die klassische Morallehre – nicht lügen, nicht stehlen, nicht quälen, nicht töten – bezieht sich ja erst einmal nur auf das Verhalten gegenüber unseren Mitmenschen. Rechtlich gesehen sind Tiere wie Sachen zu behandeln. Die meisten Menschen allerdings lehnen auch Tierquälerei moralisch ab – und zwar nicht nur, weil man damit auch dem Besitzer der jeweiligen »Sache« schadet, sondern wegen des Tiers selbst, auch wenn es ein Wildtier ist, das niemandem »gehört«. Dem üblichen Verständnis nach haben Tiere sehr wohl Anspruch auf etwas wie Schonung und Rücksicht, wenn auch anscheinend weniger als Menschen. Es ist also unklar, welche und wie weitgehende Rechte sie uns gegenüber haben. Mit solchen Fragestellungen beschäftigt sich die Tierethik.

Dabei haben natürlich auch Menschen früherer Zeiten schon die Notwendigkeit einer gewissen Moral gegenüber Tieren gesehen; die willkürliche Quälerei galt fast immer als moralisches Übel. Aus den Gedichten und Erzählungen aller menschlichen Kulturen kennen wir die Freundschaft und den schonenden Umgang des Menschen mit dem Tier; oft wird von einzelnen Menschen berichtet, deren Tierliebe noch weiter ging. Vom asiatischen Raum mit seinen hinduistischen und buddhistischen Traditionen einmal ganz abgesehen, sind uns auch aus allen Epochen des Abendlands Vegetarier bekannt. Diese Tradition beginnt mit Pythagoräern und Platonikern in der Antike und reicht über zahlreiche Mönche und Häretiker im Mittelalter bis hin zur Neuzeit mit ihren berühmtesten Vertretern wie Leonardo da Vinci, Shelley, George Bernard Shaw und Leo Tolstoi.

Natürlich sind nur solch große Namen überliefert, aber ich persönlich nehme an, dass der Gedanke des Vegetarismus so alt ist wie die menschliche Kulturtechnik der Vorratshaltung beziehungsweise des effektiven Ackerbaus. Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Mensch für sein Überleben nicht mehr auf den Fleischverzehr angewiesen war, konnte die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Tier neu gestellt werden; und ich bin mir sicher, ab diesem Moment – der unter anderem aus Gründen des Klimas menschheitsgeschichtlich unterschiedlich erreicht war – haben es immer wieder Menschen getan.

In einer Antikensammlung wies mich meine Mutter einmal auf ein altägyptisches Relief hin, das eine Kuh zeigt, die gemolken wird – und der eine Träne im Auge steht. Es ist anzunehmen, dass sie um ihr Kalb weint, das ihr genommen worden ist.



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