Kuesse unterm Weihnachtsbaum by Tracy Cozzens

Kuesse unterm Weihnachtsbaum by Tracy Cozzens

Autor:Tracy Cozzens [Cozzens, Tracy]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historical
Herausgeber: Knaur
veröffentlicht: 2014-11-24T05:00:00+00:00


12. Kapitel

Die fröhlichen Klänge von gut einem Dutzend Stimmen, die das Weihnachtslied »Deck the Halls« schmetterten, konnten Meryls düstere Stimmung nicht vertreiben.

Die Fahrgäste in ihrem Waggon waren zunehmend leutseliger geworden, während sie Meile für Meile zurücklegten und sich langsam San Francisco näherten. Einer der Männer hatte Weihnachtslieder angestimmt und seine Nachbarn zum Mitsingen aufgefordert. Es dauerte nicht lange, und fast alle Fahrgäste stimmten mit ein. Reisende, die unterwegs zustiegen, verstauten eingepackte Geschenke unter ihrem Sitz oder hielten sie auf dem Schoß. Alle waren offenbar auf dem Weg zu Freunden oder der Familie, um Weihnachten mit ihnen zu feiern.

Das herzliche Miteinander im Zug verstärkte Meryls Gefühl der Einsamkeit. Sie vermisste ihr Zuhause mehr, als sie gedacht hatte. Jahrelang hatte sie sich darauf gefreut, die Akademie zu beenden, auf eigenen Füßen zu stehen und ihrem Vater zu beweisen, was sie konnte. Doch jetzt sehnte sie sich zurück in den trauten Kreis der Familie. Durch das Fenster betrachtete sie die schneebedeckten Berge, die schließlich übergingen in die ausgedehnte Wüste Nevadas. Der Zug hatte während der Nacht die Rocky Mountains bis Salt Lake City durchquert und sich über und durch Steilhänge geschlängelt. Und jetzt erstreckten sich vor ihnen die Berge der Sierra Nevada.

Während der vergangenen zwei Tage hatte sie Joe nur flüchtig zu Gesicht bekommen. Er saß in einem anderen Waggon und ging ihr seit dem Vorfall im Gepäckwagen aus dem Weg. Oder hatte nicht vielmehr sie ihn gemieden? Meryl wusste nur, dass ihr Verhältnis plötzlich sehr angespannt war und sie in seiner Gegenwart zum ersten Mal Unbehagen und Fremdheit spürte.

Dennoch musste sie ständig an ihn denken. Während ihrer Zeit auf der Akademie war er jahrelang aus ihrem Leben verschwunden gewesen, aber jetzt fiel es ihr schon schwer, ihn nur einen Tag lang nicht zu sehen.

Wenn sie nicht bald etwas dagegen unternahm, würde sie noch den Verstand verlieren.

Aber sie konnte schlecht einfach zu ihm gehen. Er hatte es ihr praktisch verboten. Ob sie ihm auch ständig im Kopf herumspukte? Wie sie es hasste, das nicht zu wissen!

Sie musste dem ein Ende setzen, und zwar sofort. Meryl griff nach ihrer Handtasche und marschierte zur Tür am Ende des Waggons. Auf dem Weg zum Klubwagen würde sie an seinem Platz vorüberkommen und könnte ihn unter einem Vorwand in ein Gespräch verwickeln. Und wenn er nicht da war, würde sie ihn suchen, bis sie ihn gefunden hätte.

Und wenn sie ihn erst einmal gefunden hatte ... Meryl schüttelte den Kopf. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, was sie zu ihm sagen sollte.

Sie schob die Tür am Waggonende auf und betrat den nächsten Wagen. Joes Platz war leer, also ging sie weiter in Richtung Klubwagen.

Dort fand sie ihn. Er saß auf einem ledergepolsterten Stuhl und las Zeitung. An der überfüllten Bar am Ende des Waggons servierte ein Barkeeper Getränke. Gentlemen diskutierten über Politik, während sich der Rauch ihrer Zigarren über ihren Köpfen kräuselte. Einige Fahrgäste spielten Karten.

Dies hier war die Welt der Männer, doch zum Glück waren auch ein paar Frauen anwesend. Niemand starrte Meryl erstaunt an. Sie steuerte auf einen Stuhl in Joes Nähe zu und tat so, als hätte sie ihn nicht bemerkt.



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