Kuesse im Schnee by Henriette Wich

Autor:Henriette Wich [Wich, Henriette]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783440126523
Google: pd4KaAEACAAJ
Herausgeber: Franckh-Kosmos
veröffentlicht: 2011-10-14T22:00:00+00:00

Enthüllungen

Verblüfft starrten die drei !!! auf die erste Seite. Im Leuchtkegel von Kims Taschenlampe erschien eine fett gedruckte Titelzeile: Die Wahrheit über Toni Brugger – Sein Leben, erzählt von Hans Schachner.

»Ich glaub’s nicht!«, rief Marie. »Das müsst ihr euch mal auf der Zunge zergehen lassen.« Neugierig blätterte sie weiter und las den ersten Abschnitt der zweiten Seite vor: »Toni Brugger gehört zu den beliebtesten Menschen im Ort. Er stammt aus einer angesehenen Familie und zeichnete sich bereits in der Schule durch Fleiß und Zuverlässigkeit aus. Seine Freunde schätzen ihn für seine Freundlichkeit und die Bedürftigen unserer Region für seine Großzügigkeit. Ist Toni Brugger perfekt? Nein, er ist es keineswegs. In meiner Funktion als Heimatautor halte ich es für meine Pflicht, alle darüber aufzuklären, wie Toni wirklich ist. Denn der verwöhnte Hotelierssohn hat moralische Abgründe, die jeden meiner Leser zutiefst erschrecken werden.«

Kim schielte auf den nächsten Absatz. »Hier wird es erst richtig gehässig. Ich fürchte nur, wir haben keine Zeit weiterzulesen.«

»Du hat recht«, sagte Franzi. Jederzeit konnte das Tor aufgehen und Hans Schachner mit Paco hereinspazieren. Außerdem mussten sie bald los, sonst verpassten sie den letzten Skilift. Franzi nahm Marie die Blätter aus der Hand und ging damit zum Kopierer.

Kim nahm sich inzwischen den Laptop vor. Drei Fotodateien waren offen. »Kommt alle mal her!«, rief sie aufgeregt.

Sofort waren Marie und Franzi bei ihr und schauten ihr über die Schulter. Die Fotos, die der Lawinenhundführer sich kürzlich angeschaut hatte, zeigten alle ein hübsches, blondes Mädchen. Aus dem Dateinamen konnten sie entnehmen, dass das Mädchen Frieda hieß. Auf einem Foto legte ein deutlich jüngerer Hans Schachner stolz den Arm um Frieda. »Verliebt und endlich verlobt!« hieß dieses Foto. Auf einem anderen Foto, das laut Dateiname etwa ein halbes Jahr später aufgenommen worden war, küsste plötzlich Toni Frieda. Der Verwalter hatte das Bild bearbeitet und rot durchgestrichen. Auf dem letzten Foto sah man Frieda traurig und allein auf einer Bank sitzen. Der Dateiname lautete: Frieda, nachdem Toni sie verlassen hat. Das wirst du büßen, Toni!

»Erinnert ihr euch noch, was der Pfarrer erzählt hat?«, sagte Marie. »Dass Simon und Toni sich furchtbar mit Hans Schachner gestritten haben, wegen eines Mädchens?«

Kim drehte sich zu Marie um und kniff die Augen zusammen. »Ja, klar! Toni hat Hans die Verlobte ausgespannt und später wieder fallen gelassen. Seither ist Hans anscheinend extrem verbittert und möchte sich an Toni rächen. Sein Tatmotiv ist Eifersucht!«

»Deshalb hat er diese Enthüllungsbiografie geschrieben«, sagte Franzi. Sorgfältig schob sie die Kopien unter ihren Pullover und machte den Anorak wieder zu.

Marie fügte eine weitere Schlussfolgerung hinzu. »Und die Datei mit Tonis Gewohnheiten und Tagesabläufen hat er zur Recherche gebraucht.« Marie zückte ihr Handy und fotografierte die Beweisfotos vom Bildschirm ab.

»Jetzt müssen wir aber wirklich los!«, rief Kim erschrocken, nachdem sie einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr geworfen hatte.

Die drei !!! verließen die Scheune, schlossen das Tor und rannten, so schnell sie konnten, zur Talstation. Sie erwischten gerade noch rechtzeitig den letzten Skilift.

Während ihre Gondel über die verlassenen Pisten glitt, lehnte Franzi sich stöhnend gegen die Fensterscheibe. Dann sprach sie die Frage aus, die alle quälte: »Wo ist Toni?«

Marie zuckte mit den Schultern.

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