Krieger des Lichts 02 - Sum Lux in Tenebris by Welsch Jasmin Romana

Autor:Welsch, Jasmin Romana [Welsch, Jasmin Romana]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-12-28T16:00:00+00:00

Babyglück

Ich wurde wach, weil Keon so laut atmete. Er lag neben mir, hatte sich abgedeckt und murmelte irgendetwas vor sich hin. Ich wusste nicht, wie spät es war, weil die dicken, dunkeln Vorhänge vor das Fenster gezogen waren. Keons Gitarre lehnte an der Wand, ich erinnerte mich noch, dass er mich in den Schlaf gesungen hatte. Ich war seit gestern Nacht sein größter Fan, irgendwie musste ich seine Stimme auf meinen iPod bekommen.

Dass wir im selben Bett geschlafen hatten, fühlte sich nicht seltsam an. Es war nicht das erste Mal gewesen - nur das erste Mal nach seinem seltsamen Geständnis von letzter Nacht. Er hatte mich gewollt, aber es hatte ihn selbst überrascht. Er hatte seine Gefühle nicht unter Kontrolle, aber er wusste, dass er Fynn liebte. Ich war es absolut nicht gewohnt, mit so viel aus Keons Gefühlswelt auf einmal konfrontiert zu werden. Meistens murrte er mich nur an oder knurrte oder machte sich über mich lustig. Ich würde alles tun um ihm zu helfen, aber irgendwie wusste ich nicht so recht, wo ich ansetzten sollte. Vielleicht hatte er einfach nur jemanden gebraucht, bei dem er sich aussprechen konnte. Dass er mich dafür ausgesucht hatte, kam mir plötzlich seltsam vor. Er hätte mit Raphael reden können, den er aber nicht belasten wollte oder mit Fynn, die er wahrscheinlich genauso wenig in seine Probleme hineinziehen wollte. Ich war diejenige, der er sich anvertrauen konnte, weil ich wusste wie es war, sich krank zu fühlen, kaputt und unvollständig. Vielleicht brauchte er mich sogar, vielleicht konnte ich ihm irgendetwas geben, was ihm sonst niemand geben konnte. Der Gedanke machte mich glücklich, vertrieb die unerträglichen Ängste, ihn zu verlieren. Vielleicht glichen sich unsere Gefühle und unsere Abhängigkeit füreinander. Ich seufzte bedacht leise, dann musste ich lachen, weil ich Keon höchstens dann geweckt hätte, wenn ich ihm einem Elektroschock verpasst hätte. Er murmelte wieder, diesmal ganz deutlich, aber auf Italienisch.

»Was?«, hauchte ich amüsiert in sein Ohr. Er wiederholte es. Unterbewusst musste er mitbekommen, dass ich mit ihm sprach.

»Sag es auf Deutsch.«, bat ich eindringlich.

Er murrte und bewegte den Kopf. Während Keon versuchte meine Bitte zu verarbeiten, fiel mir auf wie warm mein Arm war. Als mein Blick auf die große, schöne Feder fiel, schlug mein Herz schneller. Mir wurde seltsam zumute, so als ob Gabriel gar nicht weg wäre, als ob ich ihn nach diesem Urlaub bald schon wieder in den Arm nehmen könnte. Der Gedanke gefiel mir zuerst, dann fiel mir auf, wie dumm er war. Ich begann zu verdrängen, dass er tot war, dass er verschwunden war und wie grausam diese Schlacht gewesen war. Italien machte mein Herz zwar leicht, aber meinen Verstand trüb. Ich drohte in eine surreale Welt zu flüchten, die aus nichts weiter bestand als Träumen und Rauch.

»Mein Fahrrad …«

»Was?«

Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört, aber Keon wiederholte es.

»Mein Fahrrad …«, murmelte er.

Ich lachte.

»Du hast doch gar kein Fahrrad!«

Er schien protestieren zu wollen, schimpfte aber nur irgendwelche Buchstaben vor sich hin. Ich begann mit der Spitze von Gabriels Feder über seine Wange zu fahren.

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